waltzer tanzen
Allee der Kosmonauten ist eine seltene Gelegenheit, jene eines der ersten Stücke der großen Sasha Waltz zu entdecken.
Muss man die aktuellen Fans von Peeping Tom beneiden, die zu jung sind um die Anfänge von Sasha Waltz zu kennen, und die entdecken werden, was die belgische Tanztruppe der deutschen Choreographin schuldet? Wir teilen ihre Freude bei Allee der Kosmonauten, das 1996 uraufgeführt wurde und das Leben einer Familie in einem Wohnblock in Berlin erzählt. Das Stück, das auf einer wichtigen Recherchearbeit vor Ort und Begegnungen mit den Bewohner basiert, ist trotzdem nicht dokumentarisch. Es reiht sich eher in die Reihe des Tanz-Theaters von Pina Bausch ein. Die Bühne ist fasst leer, ein altes Kanapee und ein langer Tisch geben den Tänzern die Möglichkeit um Spiel-und Lebensraum zu bauen und zu verändern. In diesem nach dem 2. Weltkrieg errichteten Plattenbau leben drei Generationen zusammen ohne sich je wirklich isolieren zu können. Ein unterschwelliger Gebietskampf belastet die Geschwisterbeziehungen, da jeder einen komfortableren Platz als die anderen einnehmen will. Zu einer Tonspur, die an Cartoons erinnert und die komischen Akzente zwischen Geräuschen aus Videospielen und Nachahmung von deutscher Blasmusik setzt, bewegen sich die Körper mit starren Gesten, wie verführte Roboter. Das choreographische Vokabular ist eine expressionistische Veräußerung des permanenten inneren Überschäumens. Mit Geschicklichkeit und Finesse enthüllen die repetitiven Bewegungen voller Körperspannung und großen Gesten eine Mattigkeit, die sich von den zornigen Explosionen abhebt (Staubsaugen wird so zur Zähmung eines wilden Tigers). Sasha Waltz beherrscht wie niemand diese phantastischen Streiche, die immer zu einer augenscheinlichen Normalität zurückkehren. Das Scheinwerferlicht richtet sich auf zahlreiche Individuen, die anderen Figuren stagnieren auf einmal, als ob sie vor Ort eingefroren wären. Mit viel Humor bewegt sich alles auf ungewöhnliche Weise. Rund um optischen Schalk bei dem zwei Körper zu einem werden, die Beine des Einen und der Kopf des Anderen hinter einem riesigen Tisch herausragen, die Zeit stillsteht, den Raum verschwinden lässt, sich nach Lust und Laune verlängert um den Schwindel noch besser aufzudecken. Der entfaltete Elan, zwischen Neckerei und Verzweiflung, enthüllt Wünsche und Phantasien von Anziehung und Abstoßung. Von mehr oder weniger konsumierter und konsumierender Gewalt. Alles artet immer ein bisschen aus, in einer Art Chaos, das vom Loslassen und von der Befreiung von Anstand und Ordnung handelt. Die intime Zerbrechlichkeit ist nie weit entfernt, wie dieser junge Mann, der in eine Plastiktüte atmet um seine Ängste in den Griff zu bekommen.
Im Maillon (Straßburg), vom 14. bis 17. Oktober
maillon.eu
> Begegnung mit den Künstlern am Donnerstag 15. Oktober
> Tanzatelier mit Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola, am Montag den 12. Oktober (18:30- 21:30 Uhr)
> Deutsch-französisches Sprachcafé mit Theaterbesichtigung und Einführung in das Stück, am Mittwoch den 14. Oktober (19 Uhr)