Die 9. Ausgabe der Vagamondes trotzt allen Widerständen

Photo de Mossab El Shamy (Itmahrag)

Allen Widerständen zum Trotz entfaltet sich die 9. Auflage der Vagamondes, Festival der Kulturen des Südens, in La Filature. Ein Echo der Schwingungen, die eine Welt im Wandel aussendet.

Als Fenster zur Welt erkunden die Vagamondes seit fast einem Jahrzehnt, das was den Mittelmeerraum bewegt und uns mit ihm verbindet. Zwei Wochen der Entdeckung von seltenen Stücken, darunter das unumgängliche Impulso von Rocío Molina. In Begleitung der Oud von Ahmad Al Khatib präsentiert jene, die mit knapp 36 Jahren schon eine Legende des Flamencos ist, einen experimentellen Abend. Sie sucht den Höhepunkt einer „Regung, die aus dem Körper kommt, den Geist erobert, auf der Suche nach der absoluten Wahrheit des gegenwärtigen Augenblicks“, indem sie sparsam von ihren umwerfenden zapateados Gebrauch macht, diesen schnellen Schritten aus dem Zusammenschlagen der Absätze in einem wilden Rhythmus. Eine Suche nach der – fast – totalen Freiheit, eine belebte Performance, ein Sprung ins Ungewisse, eine investigative Suche des Essentiellen. Ein weiterer lange erwarteter Moment der Choreographie ist die neue Kreation von Olivier Dubois. Für seine Radikalität bekannt (die Erschöpfung seiner Tänzer in Révolution, die zu Boléro von Ravel mehr als zwei Stunden lang um Poledance-Stangen kreisten), würdigt der Choreograph mit Itmahrag eine glühende kulturelle Bewegung. Er lebt zwischen Frank- reich und Ägypten und hat, direkt nach der Revolution vom 25. Januar 2011 den Mahraganat entstehen sehen, ein wildes Gemenge in dem sich lokale Rhythmen und Rap mit Autotune treffen. Eine Straßenmusik, die ebenso dreckig wie wild und provokativ ist, eine Art Elektro-Chaâbi in dem die Sänger die harten Jungs spielen, was bei Olivier Dubois einen lebhaften Tanz vor dem Hintergrund übersättigter Ritornellen ergibt, getragen vom Bedürfnis nach Luft und Erneuerung im Angesicht der unterdrückenden Obrigkeit. Er hat fünf Performancekünstler von der Straße ausgebildet, die zu einer Komposition dreier junger Musiker tanzen.

Foto von Pablo Guidali (Impulso)

Unsere Runde durch den Mittelmeerraum wäre nicht komplett ohne einen Abstecher nach Griechenland, mit dem aktuellen Projekt von Euripides Laskaridis. Der Künstler, der unter der Leitung von Bob Wilson oder dem Choreographen Dimitris Papaioannou gespielt hat, bringt rund zehn Performancekünstler und… ein Windrad mit! Elenit, the things we know we knew are now behind, ist eine burleske Tragikomödie für überschwängliche Figuren, die Masken aus einer zweiten Haut tragen. Sein Bildtheater schreckt vor keiner Extravaganz zurück. Das Grandiose trifft hier auf das Lächerliche in einer völlig verrückten Poesie rund um die unwahrscheinliche Versammlung von Freaks, deren Weltanschauung mit Zärtlichkeit und Inspiration betrachtet wird, da sie kaum absurder ist, als jene der Bodenständigsten unter uns.


Itmahrag von Olivier Dubois, in La Filature (Mulhouse), 15. & 16.01.21 (dann im 104 (Paris), 27.02.-02.03.21 und im Chaillot (Paris), 17.-20.03.21)

Elenit von Euripides Laskaridis, in La Filature (Mulhouse), 19.01.21

Impulso von Rocío Molina & Ahmad Al Khatib, im Théâtre de la Sinne (Mulhouse), 22.01.21

Das könnte dir auch gefallen