Supports/Surfaces überwindet die Grenzen der konventionellen Malerei
Supports/Surfaces ehrt die grundlegende Bewegung zeitgenössischer Kunst gleichen Namens, die die Grenzen der konventionellen Malerei überwand.
Ein an der Decke hängendes Netz, ein Stück Wellblech, ein Quadrat aus Baumwolle, das frei im Raum schwebt… Supports/Surface macht reinen Tisch mit der Vergangenheit. Aus der Kunsthochschule von Montpellier und Paris stammend, berufen sich die Gründer der Gruppe – allen vor- an Vincent Bioulès, Patrick Saytour und Claude Viallat – zum Großteil auf die Malerei. In den 1960er Jahren, als die Neuen Realisten „den Tod der Malerei“ ankündigen, schließen sich ein Dutzend Künstler dieser Bewegung an, der letzten der französischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts – von der die luxemburgische Institution eine außergewöhnliche Samm- lung besitzt, die hier gezeigt wird. Sie sprechen sich, ganz im Gegenteil, für eine Rückkehr zu den Ursprüngen der „dritten Kunst“ aus, indem sie ihre Codes abschaffen: Die Oberfläche, das heißt die Leinwand des Gemäldes und der Bildträger, also der Keilrahmen, der ihm seine Struktur verleiht. Indem es die Möglichkeiten erkundet, die unkonventionelle Rohmaterialien und Techniken bieten, legt das Kollektiv weniger Wert auf das Thema als auf die Materialität, bietet neue Gesten und Formen an, um die Grenzen des Mediums zu erkunden. Während Vincent Bioulès die Leinwand ausschließlich in gespannter Form bearbeitet (Abstraction, 1975), profitiert André-Pierre Arnal vom befreienden Aspekt der Falte (Pliage, 1970). Indem er die Baumwolle durch Papier ersetzt, setzt Louis Cane auf visuelle Sättigung, zeichnet zunächst, auf wiederholte Weise, die Form „X“ fügt dann allenthalben den Satz „Louis Cane, artiste peintre“ („Louis Cane, Kunstmaler“) ein, was die Komposition auf eine Anhäufung von Logos reduziert (Papiers collés, 1966). Im hintersten Winkel der Installation erfinden Claude Viallat und Patrick Saytour ihrerseits das Material in Form eines Netzes neu, sie verweben die Fasern für eine riesige Vernetzung (vom Ersten, Sans titre, 1975) oder verbinden sie mit trivialen Alltagsobjekten (vom Zweiten, Cerceau, 1978).
Jenseits der künstlerischen Innovation hat das Kollektiv eine politische Ambition: Die Beziehung zwischen Kunst und Raum neuzudenken, in die es sich einschreibt. Den Formalismus und die Logik des Marktes ablehnend, predigt es die Entsakralisierung des Werkes durch die Entledigung von seinen bürgerlichen Konventionen. Ausgehend von Taschentüchern, Bauschen und Tüchern befasst sich Noël Dolla, Schüler von Claude Viallat, mit den historischen und sozialen Faktoren, die den Status des Werkes definieren (Toile Rouge, 1968). Daniel Dezeuze seinerseits widerlegt die Legitimität der Darstellungsformen indem er Échelle de bois souple (1974) ausstellt, ein Bezug zum Keilrahmen, den er als einen ideologischen Apparat betrachtet. Da sie die Opposition zwischen Mensch und Natur aufleben lässt, wird selbst die Geste des Schaffens infrage gestellt. Toni Grand, einer der seltenen Bildhauer der Gruppe bricht so mit seiner eigenen Praxis indem er sie auf eine Abfolge einfacher Operationen reduziert, die Grenzen zwischen dem Gefundenen und dem Gemachten ver- wischt. Ein banales Stück bearbeitetes Holz, das ohne einen Sockel gegen die Wand gelehnt wird, Sans titre (1975), zeigt die Beziehung zwischen der Konzeption des Objekts und dem erzielten Resultat auf, zwischen der Struktur und dem Zufall.
Im Nationalmusée um Fëschmaart (Luxemburg) bis zum 23. Februar
nationalmusee.lu