Phia Ménard bringt mit ART.13 die etablierte Ordnung zu Fall
Die neue Kreation von Phia Ménard, ART.13, zerstört die etablierte Ordnung, um die Vorstellungskraft an die Macht zu bringen.
Wer hat nicht diese Bilder von Standbildern im Kopf, die man vom Sockel stürzt um das herrschende Regime umzustürzen? Um ihren neuen „Ruinenzyklus“ einzuweihen, entfaltet Phia Ménard einen Garten à la française voller Ecken und Kanten, mit Rasenflächen und stilisierten Lilien-Formen aus Kies, die die Bühne bedecken. Darin thront die Statue eines nackten Mannes, mit einem Feigenblatt auf dem Geschlechtsteil, der eine Axt hält. Wenn da nicht der Radau der Rasenmäher und der Heckenscheren wäre, würde dieser Ort der klassischen Perfektion gleichen. Während in Neonbuchstaben „Les Nuisibles“ (Das Ungeziefer) herumzappeln, taucht eine bizarre Figur aus dem Boden auf, die bunte Shorts und eine Kapuzenmütze mit einer bunt bemalten Irokesenfrisur trägt. Der Titel des Stücks ART.XIII, steht seinerseits in roter Farbe auf dem Sockel, als Echo auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden: „Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“
Nicht locker lassen
Die Künstlerin ist eine Wiederholungstäterin. Schon ihre Contes Immoraux (insbesondere Maison Mère) befassten sich mit der Aktualität und den Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaften. Indem sie das Parthenon in 3D mit geklebtem Karton von Hand reproduzierte, bezog sie sich auf das Schicksal, das Griechenland und die Migranten der EU zu verdanken hatten. Ein prekärer Ort der Zuflucht, im Sturm der Elemente, der Regen lässt unsere Kriegerin in einem Super-Heldinnen-Punk-Kostüm sehr allein im Angesicht eines Gebäudes, das in sich zusammenstürzt, womit jegliche Hoffnung vernichtet wird… bevor sie es anders wiederaufbaut. Die Frage der Grenzen bleibt lebendig, wie jene des Kulturerbes und der Gewalt, die ihr zugrunde liegt. So stört die Hauptfigur aus ART.13 die etablierte Ordnung, die perfekte Symmetrie und das gemeinsame Darstellungs-Erbe. Der Körper der Perfomance-Künstlerin Marion Blondeau „ist maskiert, fast fern, aber die Gesten sind leidenschaftlich, schön und graziös. Diese gespenstische Präsenz stellt die Frage: Wer steckt unter diesem Kostüm und wer sind wir also?“, flüstert die Regisseurin. Ihre Präsenz hat alles von einer Störung: Vom hüpfenden Gang bis zu den animalischen Bewegungen, verbirgt sie sich wie ein Monster. Und als sie sich der Axt der Statue annimmt, um ihr einen todbringenden Schlag zu geben, sieht jeder das Drama kommen. Denn man attackiert nicht ungestraft die patriarchalische Ordnung ohne einen noch größere Bumerangeffekt. Ein Symbol der Virilität zu kritisieren, ändert kein System. Phia Ménard orchestriert ein riesiges – heilsames? – Chaos, dessen Auflösung über eine Befreiung der Träume und der Vorstellungskraft gelingt, allein an der Macht, und das dazu fähig scheint, die Revolution der Grundlagen unseres Zusammenlebens und unserer Beziehung zum anderen in die Wege zu leiten.
In La Filature (Mulhouse) am Dienstag den 6. Februar, dann im 2 Scènes (Besançon) am Mittwoch den 20. und Donnerstag den 21. März
lafilature.org – les2scenes.fr