Paint it black: Pierre Soulages im Museum Frieder Burda

Peinture, 7 juillet 1957-1958. Kunstbesitz der Landeshauptstadt Hannover, Sprengel Museum Hannover © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Die Retrospektive, die das Museum Frieder Burda Pierre Soulages widmet, beschreibt die außergewöhnliche malerische Laufbahn des Künstlers von 1946 bis 2019.

Als junger Maler nimmt Pierre Soulages (geboren 1919) 1948 / 1949 an der von Ottomar Domnick1 organisierten Kollektiv-und Wanderausstellung Französische abstrakte Malerei teil. Neben Gemälden von etablierten Künstlern wie Herbin, Kupka und Konsorten wird eines seiner Werke ausgewählt um das Plakat zu illustrieren, Nussschalenbeize auf Papier von 1947 (in Baden-Baden präsentiert). Für den jungen Dreißigjährigen der damals nicht bekannt ist, wird der Moment grundlegend und illustriert den Platz Deutschlands – wo ihm auch 1960 in Hanno- ver seine erste Retrospektive gewidmet wird – für seinen zukünftigen Weg. So ist es nur natürlich, dass das Museum Frieder Burda eine große monographische Ausstellung präsentiert, die einen Blick auf einen nun hundertjährigen Künstler wirft, der eine Hauptfigur der zeitgenössischen Kunst geworden ist, auf halbem Weg zwischen Superstar und Jedi-Meister. Sie öffnet sich mit monumentalen Werken, darunter drei unglaublichen vertikalen Streifen von vier Metern Höhe, die er 2019 realisierte. Man könnte darin fast die Krönung seines „Outrenoir“2 sehen, das eher ein Konzept als eine Farbe ist, 1979 geprägt wurde und dessen Genese wohlbekannt ist: „Ich bin vor einem Gemälde, das ich im Begriff bin zu verpfuschen. Ich bin unglücklich. Das Schwarz hat alles überwältigt. Die ganze Leinwand ist damit bedeckt. Müde gehe ich schlafen. Eine Stunde später wache ich auf, ich kehre vor das Bild zurück und entdecke, dass ich nicht mehr mit dem Schwarz arbeitete, sondern mit der Reflexion des Lichts auf dem Schwarz“, erklärt er3.

Nussbeize auf Papier, 1947, Sammlung Domnick, Nürtingen © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Im riesigen Saal des Museums, in dem sich die Großformate aneinanderreihen – einige schweben im Raum und sind an der Decke aufgehängt – taucht jeder in das Herz eines mentalen Raums der Finsternis ein, aus dem der Künstler- Alchemist Helligkeit auftauchen lässt. Wir durchstreifen jubelnd dieses „Jenseits, das aus dem Lichtreflex auf dem Schwarz entsteht, der die Sensibilität des Betrachters berühren wird“, dank unterschiedlichen Texturen (glatt, körnig, etc.) und Techniken (Abschaben, Abbeizen, etc.). Der Rest des Rundgangs ist eine Zeitreise, die die Kohärenz und Radikalität Soulages illustriert, eines Adepten der totalen Abstraktion, der von vornherein die Wahl getroffen hat, seine Gemälde nur mit dem Triptychon Technik/ Dimension/ Datum zu betiteln. Auch wenn die Werke vom Ende der 1940er Jahre (Nussschalenbeize oder Gouache auf Papier) noch an Kalligraphien erinnern, entfernt er sich sehr schnell von jeglicher möglicher Referenz und betont: „Ich sage nichts. Ich stelle nicht dar. Ich male, ich präsentiere.“ Der Rest der Ausstellung demonstriert dies auf perfekte Weise, zurück- haltende Farben – erdige Ockertöne oder schwaches Blau – tauchen Ende der 1960er Jahre aus dem Schwarz auf, mit dieser erstaunlichen Überschwänglichkeit der fifties… Her- vorzuheben ist die Materialarmut und die intensive Reinheit der Linien der seltenen Teer-auf-Glas-Arbeiten aus dem Sommer 1948.


Im Museum Frieder Burda (Baden-Baden), bis zum 28. Februar 2021
museum-frieder-burda.de

1 Deutscher Arzt und Sammler, der sich für die Sichtbarkeit der Abstrakten Kunst seiner Zeit einsetzte, die er als ein Gegengift zur Kunst aus der Nazi-Zeit ansah
2 Jenseits von Schwarz
3 Zitat aus einem Gespräch mit Pierre Soulages (der aufgrund der Pandemie nicht nach Baden-Baden gekommen ist), das wir mit ihm anlässlich seiner Ausstellung in Straßburg 2010 führten

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