Nolwenn Peterschmitt lässt sich für Unruhe von der Tanzepidemie inspirieren

© Irwin Barbé

Nolwenn Peterschmitt lässt sich von der Tanzepidemie in Straßburg im Jahr 1518 inspirieren, mit Unruhe, einem zeitgenössischen kathartischen Ritual.

Wie hat sie diese komische „Tanzepidemie“ von Straßburg heimgesucht?
Ich bin in Straßburg geboren und meine Kindheit wurde von mysteriösen Geschichten von Hexensabbaten in den Vogesen begleitet. Vor Corona hatte ich schon Lust darauf den öffentlichen Raum neu einzunehmen mit einem Gruppenstück, das Gemeinschaft kreiert. Und dieses Thema ist wunderbar, es liegt mir auch am Herzen die karikaturistischen Darstellungen der Frauen von damals zu dekonstruieren, zwischen Hexe und vom Teufel besessenem Objekt der Begierde.

Sie vereinen 10 Tänzer und zwei Musiker für eine „Zone der getanzten Ausnahme“, im Freien. Besteht die Idee darin, das Phänomen der Trance und der Ansteckung von damals wiederzufinden?
Das Rendezvous beginnt bei Sonnenuntergang um das Stück in der Nacht zu beenden und mit dem Himmel zu tanzen. Unruhe ist ein großes Freudenfeuer, der Vorschlag eines antiautoritären Ortes, an dem man Dinge machen kann, die über Jahrhunderte lang stattfanden, bevor sie verboten wurden. Unser Raum ist jener des Außergewöhnlichen und des Rituellen, er antwortet auf einen kollektiven Bedarf nach Versammlung und Heilung. Um von einem Ritual richtig geheilt zu werden, muss man starke Passagen experimentieren! Ich habe meine Tänzer zu dem arbeiten lassen, was in uns tanzen muss, was unter enormen Schichten aus Normen, Ängsten, Kodifizierungen verborgen ist. Ich arbeite zur Ansteckung durch Energie, das Publikum darf also im Vorfeld nicht alles wissen. Es ist eine Geschichte des Volkes, kein virtuoser Tanz. Meine Interpreten sollen sich „tanzen lassen“ in einer abgesteckten Komposition, aus einer nicht beherrschten Choreographie ein Spektakel machen.


Sie paraphrasieren Stig Dagerman indem Sie sagen: „Unser Bedarf nach Ritualen ist unmöglich zu stillen“…
Es geht darum eine notwendige Befreiung anzubieten, beim Empfang dessen, was physisch Bewegung braucht: Manchmal ist es ein Trauma, Ängste… Auch wenn Straßburg mich mit dieser Geschichte anzog, hatte ich ein Bedürfnis danach eine gemeinsame Symbolik wiederzufinden, im Angesicht eines politischen und sozialen Stresses, was den Mächtigen Angst macht, wenn man sich der Straße ermächtigt um… zu tanzen! Unsere Kulturen haben sich von den heidnischen Wurzeln abgeschnitten. Trance, Ritual und Besessenheit sind Begriffe, die sofort eine Reihe von Klischees hervorrufen, obwohl sie auch ein historischer Reichtum sind. Ich habe bewusst ein Ritual von heute erfunden, das auf unsere Bedürfnisse angepasst ist und habe mich vor jeglicher Folklore in Acht genommen.

Wohin haben die Recherchen zwischen mittelalterlicher Modalmusik und elektro-akustischer Musik geführt?
Ich habe Thibaut de Raymond bei einem Konzert in einem Keller entdeckt und seine Erkundung der polyrhythmischen, quadrophonen Musik mit alten Kassetten und einem Sampler. Dieser Sound, der um dich herum kreist, erzeugt eine unglaubliche Bewusstseinsveränderung und eine ziemlich verrückte körperliche Erfahrung. Er hat dieselbe Beziehung zur Wiederholung wie die mittelalterliche Musik. Der Sound hat eine vulkanische, bedrohliche, experimentelle Seite. Aber gleichzeitig versteht man ziemlich schnell den Aufbau, was es erlaubt sich an der Klanglandschaft festzuhalten.

Nolwenn Peterschmitt : Unruhe

Im Maillon (Straßburg) am Donnerstag den 13. und Freitag den 14. Juni, Treffpunkt vor dem Rhénus für den Start der Vorstellung
maillon.eu

> Sabbatnacht und Tarantella mit Konzert nach der Aufführung am Freitag den 14. Juni

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