Musée Würth: Lore Bert & Radical
Eine Doppelausstellung erkundet im Musée Würth die geometrische Abstraktion: Auf den monographischen Teil, der Lore Bert gewidmet ist, antwortet Radical, das die Größten präsentiert.
Ein Ozean aus zerknitterten weißen Blättern, die sich zart wellen, umgeben von konvexen Polyedern mit spiegelnder Oberfläche: Les Cinq Solides de Platon (Die Platonischen Körper, 2013) zitieren die Formen, die vom Philosophen mit den Elementen assoziiert wurden, die vier wohlbekannten, zu denen er das Universum hinzufügte. Der Besucher, der von dieser spektakulären Installation von Lore Bert (geboren 1936) empfangen wird, entdeckt im Erdgeschoss des Musée Würth das Universum einer Verfechterin einer ruhigen geometrischen Abstraktion mit ihren verführerischen „Objekt-Gemälden“ aus mehrfarbigem Papier, das eingerollt oder gefaltet ist, in Plexiglas gerahmt. Darin entfalten sich Motive aus der Architektur Venedigs – wie die Kleeblätter der Loggias, Schachbretter mit 3D-Effekt von denen einige an Gemälde von Vasarely erinnern, etc. – oder Ausdrücke der Weltsichten von Galilei oder Kopernikus.
Wenn man ein paar Stufen emporsteigt, entdeckt man den ungeahnten Platz der geometrischen Abstraktion in der Sammlung Würth: In drei Teile gegliedert, die ebenso viele offene Perspektiven bieten, beginnt der Rundgang mit Points de vue (Standpunkte) das den Platz des Körpers des Besuchers im Raum stellt. Man stößt hier unter anderem auf Les Visages colorés (Die bunten Gesichter, 2005) von Buren, bei denen seine berühmten Streifen von 8,70cm mit den Farben und Formen in einen Dialog treten, aber auch dank eines subtilen Spiegel-Spiels mit dem Betrachter und den anderen Werken, von Jesús-Rafael Soto oder Yaacov Agam, die ebenfalls unsere Netzhaut provozieren.
Neben diesen beiden großen Repräsentanten der Op Art hängt Bellatrix (1957), ein historisches Gemälde von Victor Vasarely – dessen Titel sich auf einen riesigen Stern des Sternbilds Orion bezieht – in dem sich Kreise und Vierecke miteinander amüsieren. Der zweite Teil der Ausstellung, Less is more, befasst sich mit dem Minimalismus, mit so wichtigen Werken wie Unité de la sphère et spirale infinie (Einheit aus Kugel und endloser Spirale, 1978-83), einer Granit-Skulptur von Max Bill, die an ein Möbiusband von atemberaubender Schönheit erinnert. Neben graphischen Kompositionen von Anton Stankowski (Divisions triangulaires, 1994) oder großformatigen Gemälden von Lothar Quinte, wird ein Gemälde von François Morellet gezeigt. A P.R.I.O.R.I. (2004) illustriert das Kredo eines Künstlers, der, mit Vorliebe absurde Einschränkungen, als Mittel des künstlerischen Schaffens nutzte. Und schließlich ist Formes et couleurs (Formen und Farben) ein prächtiger Saal, der die historischen Figuren der Gattung zeigt. Man fühlt sich ins Goldene Zeitalter der Galerie Denise René zurückversetzt, mit Serge Poliakoff, Auguste Herbin (Vierge, Jungfräulich, 1953), Richard Mortensen, oder auch der Radikalität von Aurélie Nemours.
Im Musée Würth (Erstein) bis 7. Januar 2024.
Eintritt frei.
> Das Musée Würth feiert sein 15. Jubiläum mit einem Spezial-Tag voller Überraschungen und einem Tanz-Abend (08.07.)