Max Beckmann im Freiburger Museum für Neue Kunst
Das Freiburger Museum für Neue Kunst feiert Max Beckmann mit Die Sammlung Classen, mit Gravuren und Lithographien aus den Jahren 1910 / 1920.
Max Beckmann, der große deutsche Maler, hielt sich ein Leben lang von den Künstlerbewegungen seiner Zeit fern. Die fünfzig graphischen Werke, die in dieser Ausstellung des Museums für Neue Kunst in Freiburg im Breisgau vereint werden sind Kleinformate, die zu einer aufmerksamen Betrachtung einladen. Mit ihren Strichen, ihrem Spiel zwischen Flächen und Leerräumen bieten die Gravuren (vor allem auf Holz) und Lithographien ein perfektes Umfeld für seinen expressionistischen Stil. Davon zeugt sein Selbstbildnis von 1914 mit besorgtem Blick, oder jenes von 1922, mit halbgeschlossenen Augen und gesenkten Ohren, das noch härter ist, so dass man Schwierigkeiten hat das Modell zu erkennen. Besorgnis durchzieht sein Werk, wie jene der sich drängenden Masse bei der Kriegserklärung, die ängstlich Zeitung liest. Nur die Kinder spielen 1918 in lebendigen und einfallsreichen Duellen, die ihrer Unschuld entsprechen. Für die Erwachsenen zeugt Die Strasse (die Hölle) 1919 von den tiefgreifenden Schäden durch den Ersten Weltkrieg. Ein amputierter im Rollstuhl stellt seine Stümpfe zur Schau, während zwei Passanten einen bewusstlosen alten Mann tragen. Das heillose Durcheinander dieser Komposition wird von einem Blinden und Künstlern abgerundet, die neben Kriegsverletzten betteln.
Beckmann fängt den Verdruss und die Ärgernisse des Menschen ein, die Koexistenz der Extreme. Die Szenen aus dem alltäglichen Leben wie Landschaft mit Ballon (1918) erinnern an Munch und Van Gogh, die Bäume, die Sonne und der Heißluftballon strahlen vor Lichtkreisen, in einer Vision, die die Realität ins Wanken bringt. Die zwanziger Jahre, die er in Frankfurt am Main verbringt, erscheinen müßiger. Der Künstler skizziert dort mit Humor verkrampfte Feste, macht sich über die schicken Trinkgelage mit Champagner (Hier ist Geist, 1921) lustig. Die Schultern entblößen sich unter den Abendkleidern, neben den kleinen Leuten in Livree. Es bleiben Spuren von Angst und Gefahr wie diese Stadtnacht (1920), in der eine Figur hinter dem Fenster in der ersten Etage eines Gebäudes schreit. Sexuelles Spiel? Missbrauchte Frau oder brutalisierte Prostituierte? Keiner weiß es. Das Verlangen kocht über beim Liebespaar II (1920), das sich abknutscht und herumfummelt, halb nackt vor verblüfften Blicken. Die Freudenmädchen sind im Café, sehr spärlich bekleidet, betrunkene Männer stoßen an, wenn sie nicht sturzbesoffen am Boden liegen (Trinklied) während an einem Vorstadtmorgen die Nachtschwärmer von ihrer Tristesse eingeholt werden. Man entdeckt auch überraschende Jahrmarktszenen, ein Blick hinter die Kulissen im Kerzenschein mit dieser Mischung aus Entspannung und extravaganten Kostümen sowie jener auf die Bühne mit den großen Gefühlen der Fahrgeschäfte. Die Seiltänzer fordern den Tod auf einem Bein heraus, mit einem Tuch auf dem Kopf. Die Gesichter sind bewusst eckig, geometrisch ausgefeilt, was einer Schlangendame (1921) die Züge eines Apachen verleiht. Das Leben ist eine Reise.
Im Augustinermuseum – Haus der Graphischen Sammlung (Freiburg im Breisgau), bis zum 16. Februar 2020
freiburg.de