Mathieu Boisadan zeigt Le Vent enflamme la roche
Die monographische Ausstellung Le Vent enflamme la roche, die Mathieu Boisadan gewidmet ist, analysiert die Geschichte der Kunst und jene Europas.
Seit zwanzig Jahren malt der Autodidakt Mathieu Boisadan. Vor zehn Jahren ist sein Atelier in Flammen aufgegangen. Seitdem hat der Lehrer an der Haut École des Arts du Rhin die Kompositionen in schwarz, grau und weiß zugunsten der Farbe aufgegeben. Diese Retrospektive spiegelt ein Jahrzehnt der Arbeit wider, die die Geschichte des Kontinents auf jene der Malerei treffen lässt, von Ferdinand Hodler bis Caravaggio. Seine enigmatischen Großformate tauchen in ein überreiztes Europa ein, das von Spomenici bedeckt ist – diese brutalistisch-titoistischen Monumente durchziehen das ehemalige Jugoslawien – oder von heldenhaften sowjetischen Matrosen bevölkert wird, wie jene von Alexander Deineka in Die Verteidigung von Sewastopol (1942). Seine Gemälde sind komplexe Konstruktionen in Form von Collagen mit mehreren möglichen Deutungen, in denen die Verbindungen von dumpfen Tönen und Schockfarben Wunder wirken, die Vorhöllen Russlands oder der Republika Srpska erkunden. Sie sind wie ein Echo auf Musik von Laibach oder Simon Steen-Andersen, Einstürzende Neubauten oder Crime and the City Solution.
Hier erscheinen die Buchstaben WAGNER in knallrot an der Wand. Woanders löst sich, wie ein nacktes Leinwand- Fragment, das von Pigmenten umgeben ist, die Silhouette eines Wohnhauses an der Kotelnitscheskaja-Uferstraße ab, des berühmten stalinistischen Wolkenkratzers in Moskau. Die Arbeit von Mathieu Boisadan einzig über den Tropismus oder die Obsession für den Balkan und Westeuropa zu betrachten wäre reduzierend. Andere Artefakte flackern darin auf. Manchmal in abstrakten Windungen, denn natürlich „verkümmert das Thema oft. Die Räume, die Formen, die Komposition, die ich mir vorgenommen hatte, verschwinden. Die Malerei legt mir ihre Regeln auf und ich passe mich an. Wir sind in einem Boxkampf“, fasst er zusammen. Und im Ring ist das Politische überall. Plötzlich wird der Blick von einem Gemälde von rund fünfzehn Zentimetern Höhe angezogen, das in seinem Atelier steht. Ein Mickey, der keinesfalls enorm ist, hebt mechanisch den Arm. Der Hintergrund ist rosa, der Boden beige. Das Lächeln der Maus wird zum Grinsen. Das Ensemble ist trostlos und zerreißend, zertrümmert den Kapitalismus und den amerikanischen Traum nach der Art eines Puzzles. Vor anderen Kompositionen, die ihrerseits enorm sind, denkt man an metaphysische Streifen, die die Gemälde von mysteriöser Schönheit von Adrian Ghenie bevölkern, oder ganz klar an Neo Rauch. Und man erinnert sich an einen Satz, den uns der deutsche Maler vor einigen Jahren anvertraute und der perfekt zum Traumgebilde seines französischen Kollegen passt: „Die Gemälde graben sich in die Träume ein, und die Träume in die Gemälde. Ich muss nur aufpassen, dass ich dieser Rekonstruktion der Träume nicht zu viel Platz einräume.“
In La Lune en parachute (Épinal) bis zum 21. April
laluneenparachute.com