Marion Eichmann in der Städtischen Galerie in Offenburg

Marion Eichmann devan HM 10P, 2021

Die Retrospektive Step by Step, die in Offenburg rund hundert Werke vereint, ist ein Eintauchen in die Papierwelten von Marion Eichmann.

Seit sie klein ist, gehört die Zeichnung zum Alltag von Marion Eichmann: „Ich beobachte meine Umgebung lange mit einer tiefen Liebe zum Detail. Ich kann rund zehn Stunden lang mit großer Intensität betrachten.“ Sie notiert alles, die Volumen, die Distanzen, die Dimensionen, um detaillierte, von Zeichen übersättigte Kompositionen zu realisieren, die kaum Platz für Freiräume lassen, wie jene, die sie in New York kreiert hat, die vor lauter Klimaanlagen, Ladenschildern und Straßenlaternen wimmeln. Ein schwindelerregender Ausdruck der urbanen Dichte, die die deutsche Künstlerin aufarbeitet, indem sie Papierfragmente in allen Farben aufklebt, die ein Spiel zwischen Ebene und Relief, Weiß und Farbe erzeugen. Es handelt sich nicht um die Realität, sondern um eine delikate Vision der Wirklichkeit, die einen Big Apple rekonstruiert, dessen Energie aus seiner architektonischen Essenz selbst entspringt, da die Menschen fast abwesend sind. Im Gegensatz dazu gibt die Künstlerin in den Werken, die sie in Istanbul geschaffen hat, den wesentlichen Puls der Stadt mit einem lebendigen Strich wieder, in Kreationen von zartem Expressionismus, der von Farbe durchflutet wird. Werke in zwei und drei Dimensionen tanzen ein überschwängliches Ballett, wie in einem Pop-Up-Buch, so lebendig, dass man die Musik hören könnte, wenn man sich nur genug konzentriert.

Marion Eichmann : Urban Structures, 2022, VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Marion Eichmann : Urban Structures, 2022, VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Ein anderer Teil der Arbeiten von Marion Eichmann – die „mit der Schere zeichnet“ – besteht darin, Alltagsobjekte in einem Schaffensprozess darzustellen, der natürlich an die Pop Art erinnert und mit der Dissonanz zwischen der Vertrautheit des Motivs und seiner Übersetzung in Oberfläche und Raum spielt: Steckdose, Mülleimer, Porsche 911 von vier Metern Länge, riesiger Hubwagen, Ventilator… Ein ganzer Saal der Ausstellung wird von einem spektakulären Waschsalon eingenommen, wie aus dem Bilderbuch. Aber man darf sich nicht täuschen, nichts in ihren Werken ist hyperrealistisch, eher eine neu interpretierte Realität, ein Jenseits mit subtilen Unterschieden zum dargestellten Objekt oder Ort. So ist es auch der Fall bei ihrem Ensemble, dass sie bei ihrer „Residenz“ im Reichstag zwischen Frühjahr 2021 und März 2022 realisiert hat. Das Resultat ist atemberaubend: Komplexe Stadtansichten von Berlin aus dem Inneren heraus, Innenräume und andere Details (Feueralarm, Gabelstapler, etc.) stellen ein faszinierendes Ensemble dar. Der Besucher bleibt an urbanen Strukturen und einer schonungslosen Geometrie kleben, die – und das liegt nicht nur an der Farbwahl – an die Strenge eines Mondrian erinnert, zwischen Ausgeglichenheit und Unausgeglichenheit.

Marion Eichmann : Blume in Vase 2-teilig, 2020, VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Marion Eichmann : Blume in Vase 2-teilig, 2020, VG Bild-Kunst, Bonn 2023

In der Städtischen Galerie (Offenburg) bis zum 8. Oktober

galerie-offenburg.demarioneichmann.com

> Langer Kunstabend, 30.06. (18 Uhr)

> Führungen, 13.08. & 24.09. (11 Uhr), 21.07. (15 Uhr)

> Rundgang mit der Kuratorin, 18.06. (11 Uhr)

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