Marcelle Cahn lädt sich ins MAMS ein

Photo de Cyrille Cauvet/MAMC+

Mit mehr als 400 Werken erkundet diese große Retrospektive, die Marcelle Cahn gewidmet ist, die erfreuliche Abstraktion einer Künstlerin Auf der Suche nach Raum.


In einem chronologischen Rundgang entdeckt man die unglaubliche Diversität des Schaffens von Marcelle Cahn (1895-1981), die in Straßburg geboren wurde und die Sammlung ihres Ateliers und ihre Archive 1980 dem Mamcs vermachte. Seit ihrem Tod vergessen, verdient die vielförmige Kunst dieser Frau, die die Freiheit liebte, es absolut wieder ins Rampenlicht gestellt zu werden. Der Besuch beginnt mit Werken, die sich aus der figurativen Quelle von Paul Cézanne oder Lovis Corinth und dem deutschen Expressionismus nähren: Die beiden 1923 gemalten Akte – der Rücken eines Mannes und eine Frau von vorne – sind wahre Meisterwerke. In Paris angekommen folgt sie der Lehre von Fernand Léger und Amédée Ozenfant an der Académie moderne, wobei sie schnell den Kanon des Purismus integriert. Die Bilder, die in der Periode 1925-30 gemalt wurden, bilden so ein faszinierende Mischung zwischen geometrischer Abstraktion und starkem überschwänglichem Ausreißer. Davon zeugt ein Saal an dessen Wänden Le Pont (1927), Les Trois raquettes (1926) oder auch Les Chevaux (1927) nebeneinanderhängen, bei welchen der Einfluss von Léger am deutlichsten ist. Man verbleibt voller Bewunderung vor der Ausgeglichenheit und der farblichen Raffinesse von Femme et voilier (1926-27), das ihren sehr persönlichen Purismus zeigt, mit erstaunlich verträumten Akzenten, von einer Malerin, die gerne in ihren Kompositionen Musikinstrumente verstreut (Guitare et éventail, um 1926).

 

Nachdem sie an der einzigen Ausstellung der kurzlebigen Gruppe Cercle et Carré teilnahm, zieht sich diese unbezwingbare Einzelgängerin nach Straßburg zurück, produziert kaum – außer charmanten Kinderköpfen oder Katzen mit einigen abstrakten Ausflügen – und geht dann währen der deutschen Besatzung nach Toulouse. Nach dem Krieg kommt Marcelle Cahn zu einer geometrischen Abstraktion zurück, in der die tanzenden Linien eines rhythmischen Triptyque (1953) mit zügelloser Lyrik, einige Dessins tachistes Anfang der Sechziger und ihre berühmten Relief-Gemälde aufeinandertreffen. Diese extrem architektonischen Kompositionen, die mit Ausgeglichenheit und Unausgeglichenheit spielen – und damit kurioserweise an Mondrian erinnern – mit einer nur oberflächlichen Strenge, sind von geraden schwarzen Linien durchzogen, die den weißen Raum aufteilen, der von elementaren bunten Formen und Relief-Elementen übersät ist, meist Kreise oder Halbkreise. Als Antwort darauf entfalten sich geometrische Skulpturen und große Photo-Collagen. Aber mehr noch als die Nüchternheit ihrer Werke, ist es die verrückte Poesie einer alten Dame im Sanatorium, die uns begeistert. Indem sie Briefmarken, Postkarten, kleine Aufkleber, Briefumschläge und Zeitungsausschnitte benutzt, kreiert sie Collagen von großer Kreativität, die man lange Minuten lang bewundert, angesichts der Intensität dieser Miniaturen.


Im Musée d’Art moderne et contemporain de Strasbourg bis zum 31. Juli
musees.strasbourg.eu

> Werke von Marcelle Cahn werden in der Ausstellung Pionnières im Musée du Luxembourg (Paris, bis zum 10.07.) gezeigt, die Künstlern im Paris der Goldenen Zwanziger gewidmet ist
museeduluxembourg.fr

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