Louise Bourgeois in den Augen von Jenny Holzer
Im Kunstmuseum Basel liefert die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer ihre sehr subjektive, brillante und schwarze Vision des Werks von Louise Bourgeois.
Eine Spinne, die allererste der Künstlerin, die 1947 mit Tinte und Kohle gezeichnet wurde, eine der berühmten Cells – dieser Käfige, in denen sie Schmerzen und Traumata exorziert –, die blauen Gouache-Töne von La Rivière Gentille, in dem sie versuchte Selbstmord zu begehen, bestickte Stoffe, Kleider mit Vichy-Karo, die an Besen aufgehängt sind… Und dann zahlreiche Papierblätter, bedeckt von Worten, die mit dem Bleistift, Tinte oder Kugelschreiber geschrieben wurden. Das Werk von Louise Bourgeois ist von unglaublicher Reichweite, ebenso monumental, rau und dicht wie die kompakte Architektur des Neubaus des Kunstmuseums wo 260 ihrer Kreationen anlässlich von Louise Bourgeois x Jenny Holzer, dem Ausstellungsereignis vereint sind, das ihr gewidmet ist. In dieser unglaublichen Veranstaltung, die in ihrer Gesamtheit von der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer konzipiert wurde – welche Ausnahmekuratorin! – evoziert alles den zerstückelten Körper, den Ekel, die widersprüchliche Beziehung zur Mutterschaft, den ersehnten Vatermord, den Konflikt zwischen den
Geschlechtern.
Die Gewalt der Worte
Für ihre subversiven Verse bekannt, die sie seit den 1990er Jahren in den öffentlichen Raum projiziert, ist Holzer mit Beharrlichkeit in die tausenden handgeschriebenen Archivseiten und Tagebücher der Älteren eingetaucht. Das Resultat? Neun Säle, die mit Werken und Schriften der französischen Künstlerin gefüllt sind, die sich früh in New York installierte um ihrer todbringenden Familie zu entfliehen. In einem eine ganze Wand, die mit Faksimile der zwanghaften Notizen bedeckt sind, die sie während der gesamten Psychoanalyse machte, welche sie nach dem Tod ihres Vaters 1951 begonnen hatte. Entgegen jeglicher Chronologie hat Holzer einen sehr persönlichen Rundgang entwickelt, so nah wie möglich am zwangsneurotischen Geist von Bourgeois. Es erstaunt kaum, im genauen Zentrum dieser Präsentation The Destruction of the Father zu sehen!
Makabres Bankett
Die kathartische Installation von 1974 stellt einen Tisch dar, der an ein Bett erinnert, mit hervorstehenden Hockern. Hier steht der Besucher dem gegenüber, was er als väterliche Reste erahnt, Schädelteile, Phallus oder zerstückelte Körper (in Realität Gerippe von Schafen und Kühen, die in Latex gehüllt sind). Wie könnte man besser mit jenem abrechnen, der seine Tochter vielfach demütigte, zuhause seiner gesamten Familie seine Geliebte aufzwang und die geliebte Mutter in eine tiefe psychologische Not brachte? In Zusammenarbeit mit dem Londoner Studio Holition, hat Jenny Holzer eine App für Augmented Reality entwickelt, die es erlaubt, der Dekonstruktion dieses symbolträchtigen Werkes beizuwohnen, zum Klang der Stimme von Bourgeois selbst, die ein Wiegenlied vor sich her singt (authentisch!). Auf einer der Stickereien,die im Nebenraum thront, ein Satz mit dem Akzent eines Grabspruchs: „I have been to hell and back. And let me tell you, it was wonderful“ („Ich bin in die Hölle gegangen und zurückgekommen.Lasst mich euch sagen, dass es wundervoll war“).
Im Kunstmuseum (Basel) bis zum 15. Mai
kunstmuseumbasel.ch
In The Violence of Handwriting Across a Page einem wunderbaren Buch, das die Ausstellung begleitet, vertieft Jenny Holzer ihre Studie der französischen Künstlerin.
Erschienen bei JRP | Editions (70 €)