Le Manège de Reims: Born to be alive

ALL, à la lisière © Christophe Urbain

Vielförmig und hybrid feiert Born to be alive die erstaunlichsten Formen der darstellenden Kunst.

Jedes Jahr im November elektrisiert Le Manège de Reims die Herbstabende, indem es eine Menge explosiver Aufführungen in seinen Zirkus oder sein Theater einlädt. Es gibt Verspieltes wie die Jeux de société des Choreographen Ezio Schiavulli (08.11.), eine Überlegung zu Brüchen und Ungleichgewicht in den menschlichen Beziehungen, inspiriert vom Konzept der Ich-Zustände des Psychiaters Éric Berne. Ausgehend von echten Spielen, die zufällig ausgewählt werden aber immer sehr physisch sind, experimentieren sechs Tänzer den Prozess der Zugehörigkeit, der dafür sorgt, dass sich in einer Gruppe, die sich selbst evaluiert, eine Kette aus sozialen Identitäten und Machtbeziehungen bildet und rekonstruiert. Seine Kollegin Silvia Gribaudi spielt mit Trickfilmen in Echtzeit in denen die Interpreten die Figuren mit Haut und Haaren verkörpern. In Monjour (14.11.), wird die Choreographin sogar zur Zeremonienmeisterin, die die Aufführung animiert und kommentiert, mit dem Mikrophon in der Hand, von der ersten Reihe aus. Diese Revue für Akrobaten, Tänzer und Clown macht sich fröhlich über den Tod des Schwans lustig, nutzt Pantomime und Slapstick in einer Hip-Hop-Version der Show, mit Nummern voller Maßlosigkeit, die die kitschigen Bilder der Cartoonistin Francesca Ghermandi zum Leben erwecken.

Le Manège de Reims
Le Manège de Reims: Born to be alive – Monjour (Silvia Gribaudi) © Andrea Macchia

Ebenso verrückt verspricht die Premiere von K. Und von Jérôme Marin (10.11.) zu werden, der an den Geist des politischen und engagierten Berliner Kabaretts anknüpft, mit Texten und Musik von Bertolt Brecht, Kurt Weill, Mendelssohn… oder den neueren, aber nicht weniger respektlosen Rainer Werner Fassbinder und Nina Hagen! Die überschwängliche Argentinierin Ayelen Parlon arbeitet in Zonder (14.11.) mit dem Absurden und dem Geist des Dada. Die Figur des Idioten dient ihr dazu ihren Tanz auf freche Art zu dekonstruieren, um das Skelett besser zu rekonstruieren. Aber das Stück, das man nicht verpassen darf, bleibt ALL (à la lisière), die neueste Kreation von Marie Cambois (08.11.). Anhand verschiedener Realitäts-Schichten, die nach und nach auf die Bühne gebracht werden, entführt uns die Choreographin in einer Universum à la David Lynch inmitten von zwei Tänzerinnen und einer Schauspielerin, zwischen vertraulicher Mitteilung und Mise en abyme der Rollen, die man im Leben und auf der Bühne spielt. Der Schrei der legendären Agaue – von Dionysos mit Wahnsinn geschlagen, tötet sie ihren eigenen Sohn, dessen Kopf sie auf eine Speerspitze spießt – klingt noch lange nach. Live von Anthony Laguerre begleitet, der an der Gitarre unglaublich ist, lässt diese Erkundung bewegter Bilder, die von einer voll beherrschten Kunst der Zeitlupe der Körper kreiert werden, die Zeit stillstehen wie eine Abfolge von Fata Morganen, in denen das Licht unwahrnehmbar vibriert, um uns noch besser, in einer Art Ektase, zu unbekannten inneren und doch vertrauten Ufern zu führen.


Im Manège (Reims) vom 7. bis 18. November

manege-reims.eu

> ALL wird ebenfalls im ACB (Bar-le-Duc) am Dienstag den 5. Dezember gespielt

acb-scenenationale.org

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