Kunsthaus Zürich lädt zur Zeitreise ein

Alfred Stevens, Le Bain, 1874, Musée d’Orsay, Paris. Photo © RMN-Grand Palais (Musée d’Orsay) / Tony Querrec

Von Dürer bis Bonvicini lädt das Kunsthaus Zürich zu einer vielförmigen Odyssee in Form einer Reise durch die Zeit ein.

Die Zeit bleibt ein Geheimnis, das der Mensch nur mit Mühe erklärt, Wissenschaftler und Philosophen versuchen die Konturen eines Konzepts zu zeichnen, das ihren Spekulationen Stand hält. Um die Sinne und den Geist zu stimulieren, nimmt diese begeisternde Ausstellung den Besucher mit in einen kaleidoskopartigen Kunst-Wirbelsturm in sechs Kapiteln. Sie beginnt mit Deep Time, einer Reise zu den Ursprüngen: So illustriert Timepieces (Solar System), eine Installation von 2014 von Katie Paterson aus neun Uhren – eine pro Planet –, den Unterschied zwischen den Längen eines Tag/Nacht-Zyklus auf der Erde, Venus, etc. Ebenfalls präsentiert wird Time Piece (Martian Deadbeat), eine kinetische Skulptur von Elisa Storelli, eine Uhr deren Ticken 20% langsamer ist als normalerweise, da sie auf die Schwerkraft des Planeten Mars eingestellt ist. Ein wunderschönes Gemälde von Yves Tanguy (Demain, 1938), eine metaphysischmelancholische Felsformation, fasst die Aussage des ersten Teils mit großer Schönheit zusammen, ebenso wie die Rockwatch, eine Armbanduhr aus Granit aus dem Hause Tissot, die eine weitere Originalität des Ereignisses widerspiegelt: Die Gegenüberstellung von Kunstwerken und Zeitmessern.

Kunsthaus Zürich
Kunsthaus Zürich : On Kawara – Dec.24.2006

Anschließend wird die Biologie mit erhabenen Vanitas angesprochen: Ein ergreifendes memento mori aus dem 17. Jahrhundert, Gravuren von Dürer oder auch The Immortal Spin Head (2014), eine zeitgenössische Reinterpretation der Gattung von Damien Hirst. Die Kraft dieses Rundgangs liegt daran, dass er keine vorgefertigten Antworten liefert, sondern den Besucher zu Überlegungen zur Essenz der Zeit anregt. So bleibt man verblüfft vor einer riesigen Aufnahme von Andreas Gursky stehen, Chicago Board of Trade III (1999/2009), die sich in den dritten Teil einfügt, der die Zeit mit dem Maßstab der Ökonomie betrachtet, genauso wie der geniale Globus aus silbernen und goldenen Digitaluhren von Monica Bonvicini, Time of My Life (2020). Zwei Schritte weiter analysiert die Original-Swatch von 1983 eine Ikone des Uhrmacher-Luxus, die erste Royal Oak, die 1972 von Audemars Piguet produziert wurde. Vom Train de pendules von Jean Dubuffet (1965), einer Komposition von vier Metern Länge aus dem Zyklus L’Hourloupe, zum Moment sublime (1938) von Dalí, in dem die Sekunden zu erstarren scheinen, über die sieben Date Paintings von On Kawara, ist die Ausstellung sehr dicht. Sie schließt mit Überlegungen zur „eigenen Zeit“ ab, jener, die sich der kapitalistischen Nutzung entzieht – Schlaf oder Vakuum – zu deren Galionsfiguren Le Bain (1873-74) von Alfred Stevens gezählt werden kann. Zwischen lasziver Erschlaffung und zarter Träumerei ruft dieses Ölgemälde die notwendige Wiedereroberung der Langeweile in Erinnerung und den unerlässlichen Verlust von Minuten, gar Stunden, in einer Welt, in der diese, so heißt es, Geld sind.

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Kunsthaus Zürich : Train de pendules – Jean Dubuffet (1938)

Im Kunsthaus Zürich bis zum 14. Januar 2024

kunsthaus.ch

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