Julian Rosefeldt in der Völklinger Hütte

DEEP GOLD, 2013/14

Die Völklinger Hütte, Eisen-und Stahlhütte, die zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, feiert ihre 150jähriges Jubiläum mit einer Retrospektive, die dem Videokünstler Julian Rosefeldt gewidmet ist.

Die ehemaligen Arbeiter und Besucher von Völklingen werden Augen machen. Auch wenn schon große Namen von internationaler Tragweite (Boltanski, Urban Art…) die 6 000 m2 der Gebläsehalle und der Verdichterhalle dieses Stahlmonsters bespielt haben, werden sie, vielleicht zum ersten Mal, von einem Werk eingenommen, das dem Gigantismus des Ortes Stand hält. Sieben Rauminstallationen des Berliners Julian Rosefeldt entfalten sich in der Tat auf riesigen Leinwänden mit dem Höhepunkt seiner Kreationen aus den letzten zwanzig Jahren, die hier vereint sind, EUPHORIA. Der Künstler macht hier keine halben Sachen: Ein zweistündiger Film, der in Endlosschleife auf den zahlreichen Bildschirmen durch 24 Kanäle ausgestrahlt wird, 150 Kinder, die einen antiken Chor bilden, deren Körper in Lebensgröße uns umzingeln, 5 geniale Jazz-Schlagzeuger hinter ihren Instrumenten, die darauf Warten mit der Stille zu brechen. Das Ganze dient als immersiver Rahmen für eine Kritik der Auswirkungen „der zügellosen neoliberalen Marktwirtschaft, mit ihren historischen, sozialen und politischen Verwicklungen“ versichert jener, der in zahlreichen Kollagen Zitate von Despentes, Einstein, Houellebecq oder auch Snoop Dog vermischt!

Julian Rosefeldt : Euphoria (2022)
Julian Rosefeldt : Euphoria (2022)

Im ehemaligen Bahnhof von Kiew gedreht, umgeben von einem beeindruckenden Busfriedhof, eine Woche vor dem Beginn des Krieges, hat EUPHORIA etwas von einer Mammut-Oper, visuell opulent mit hunderten Statisten und Tänzern, Zirkusartisten, Akrobaten, Schauspielern und Sängern, die sich an Virtuosität übertreffen. Von der Eingangshalle einer Bank in New York, in der Adler aus Federn und Blut auf den Stuhllehnen sitzen und statt auf den Flaggen, fahren wir mit dem Taxi in den Big Apple, philosophieren mit Obdachlosen um eine Feuerstelle herum, mitten im ukrainischen Winter, irren durch einen Supermarkt, von dem man nicht weiß ob er aufgrund der späten Stunde leer ist, oder aufgrund des Tigers, der durch die Gänge streift und mit der Stimme von Cate Blanchett spricht. Von den Arbeitern, die in einem Paketlager Schichtdienst leisten bis zu den Skateboardern, die ein baufälliges Bus-Depot eingenommen haben, folgen wir den Gedanken und Diskussionen zahlreicher Personen am Rande der Gesellschaft (oder jener die sich dafür halten), die trotz ihres Strebens, alle eine Rolle in diesem System haben, das sie denunzieren, oft sogar ohne es zu wissen. Ein weiteres Glanzstück der Ausstellung ist DEEP GOLD ein dadaistischer Sprung in die Zwanzigerjahre in schwarz-weiß. Dieser triste und melancholische Spaziergang eines Mannes durch den Dekor einer Stadt, die Gewalt in vielfältiger Form zum Opfer fällt, mit wunderbaren Kamerafahrten, phantastischen Auftritten und Referenzen (ein Zeppelin mit dem Namen SCUM, ein junger und überheblicher Dalí mit Schnurrbart) in Travestie-Ausschweifungen, mit bissigem Humor und Satire, der eine dekadente Welt à la Max Beckmann beschreibt. Als unser Führer auf die andere Seite von jenem tritt, was sich als Filmkulisse entpuppt, ist es die Realität, die in sich zusammenbricht, der Faschismus, die wahnsinnigen und schlüpfrigen goldenen Zwanzigerjahre, der zerbrechliche Traum eines einsamen Spaziergängers.


Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte (Völklingen) bis zum 3. September
voelklinger-huette.org

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