Im Vollbad
Körper. Blicke. Macht., eine Ausstellung über die Kulturgeschichte des Bades, überflutet Baden-Baden mit kraftvollen künstlerischen Positionen.
Die in Zusammenarbeit mit dem Mucem1 organisierte Ausstellung verteilt sich über die gesamte Kurstadt (insbesondere im Stadtmuseum) und erlaubt es „die Praxis des Badens im Laufe der Geschichte und der Künste zu untersuchen, indem sie ihre Verbindungen zu Religion, Intimität, Hygiene oder auch sozialen Praktiken erkundet“, fasst Camille Faucourt, eine der Kuratorinnen zusammen. Im Laufe der Abteilungen (Orientalismus, Antike…) entfalten sich Stücke wie ein zarter Flakon für Kosmetik aus Algerien, auf dem Vögel aus Silber mit Korallen-Perlen spielen. Man trifft ebenfalls auf Ansichten der Caracalla-Therme von Viollet-le-Duc oder auch ein schönes Exemplar einer griechischen Vase mit roten Figuren, die den Stellenwert des Baderituals illustrieren, in Begleitung eines seltenen Strigilis2 aus Bronze. Im Zuge seines Rundgangs entdeckt der Besucher die fruchtbare Gegenüberstellung von klassischen Stücken und Werken des 21. Jahrhunderts.
In einer Abteilung, die dem Badezimmer als politischem Raum gewidmet ist, hängt eine seltene Kopie (die zur gleichen Zeit wie das Original im Atelier des Malers realisiert wurde) des legendären Tod des Marat von David und wenige Zentimeter weiter die Festnahme von Charlotte Corday, die Louis Brion de la Tour im 19. Jahrhundert dramatisiert. Das Zentrum des Raums wird von Deep Float von Monira Al Qadiri, einer Skulptur aus dem Jahr 2017 eingenommen. Die Bildhauerin aus Kuwait zeigt eine weiße Badewanne, die mit einer klebrigen schwarzen Flüssigkeit gefüllt ist, aus der zwei menschliche Arme herausragen: Auch wenn sie daran erinnert, dass Erdöl früher für seine medizinischen Eigenschaften verwandt wurde, zeigt sie besonders die Gefahr des schwarzen Goldes für den Planeten auf. Einige Schritte weiter sind die berühmten Portraits zu sehen, auf denen Lee Miller, in der Badewanne von Adolf Hitlers verlassenem Appartement in München, teuflisch sexy posiert, am 30. April 1945, dem Tag des Selbstmordes des Diktators. Im Vordergrund sind ihre Stiefel zu erkennen, an deren Sohlen noch der Matsch von Dachau klebt. Daneben zeigen sich eine Überlegung zur Hygiene auf großformatigen Bilderbögen (sechzehn Vignetten, die einfache Ratschläge geben) oder auch Möbel und andere unglaublich wertvolle Toilettenarti- kel aus dem 18. Jahrhundert. Sie stehen in Kontakt mit einer Installation von Delphine Reist mit dem nüchternen Titel Douches (2020), deren Simplizität sich auf Effizienz reimt. Auf einem schmalen weißen Sockel stehen schlecht verschlossene Shampooflaschen: Sie hinterlassen heruntergelaufene Tropfen in grellen Farben, rot, grün, gelb… Für die Künstlerin aus der Schweiz „offenbaren diese sehr banalen Objekte, von denen die meisten aus dem Supermarkt stammen, etwas von unserer Welt.“ In diesem hyperästhetischen Raum, der an die Gemälde von Morris Louis erinnert, stellt sie auf humorvolle Weise die Frage nach der Schönheit im Zeitalter des zügellosen Konsums mit diesen höchst chemischen Flüssigkeiten…
In der Staatlichen Kunsthalle, aber auch im Stadtmuseum oder im Brenners Park-Hotel & Spa (Baden-Baden), bis zum 26. Juli
kunsthalle-baden-baden.de
Die Badekultur ist auch Thema der Ausstellung Baden in Schönheit, siehe S.58
1 Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeeres in Marseille – mucem.org
2 Sichelförmiges Schabeisen, das dazu diente, die Haut nach dem Bad zu reinigen