Héla Fattoumi und Éric Lamoureux kreieren TOUT-MOUN
Héla Fattoumi und Éric Lamoureux ehren in ihrer neuen Kreation TOUT-MOUN, die Gedanken von Édouard Glissant, Poet der All-Welt und der Kreolisierung.
Die Kreolisierung, so wie sie von Édouard Glissant konzeptualisiert wurde, bietet einen Blick auf die Vermischung der Kulturen in der Welt: Er mag das Unvorhersehbare in dem, was aus ihrer Hybridisierung entsteht. Ein ganz anderer Gedanke als der Multikulturalismus…
H.F. Oh ja! Der Multikulturalismus, das sind die Kulturen, die eine neben der anderen, die er eine „Juxtaposition der Absolute“ nennt. Wir haben uns seine „Kraft der Unähnlichkeit“ zu eigen gemacht, denn an der Quelle der Dichter zu trinken, bedeutet sich ihre Geistesblitze zu schenken, die Schlagkraft ihrer Worte und Bilder.
Glissant spricht von der „Kraft der Unähnlichkeit als ein Faktor der Erweiterung und Bereicherung der Vorstellungswelt“. Gleichzeitig sehr treffend bezüglich der aktuellen Abkapselung aber auch eine offensichtliche Fortsetzung ihrer Arbeit…
É.L. Unsere Herangehensweise stellt die Möglichkeit einer Begegnung in den Vordergrund, das Aufeinanderprallen der Vorstellungswelten. Aber der Aussagewert von Glissant ist auch politisch. In unseren Gesellschaften werden die Zäune wieder aufgebaut, ein identitärer Rückzug ist am Werk. Seine Schriften begleiten uns seit Langem und wir denken, dass wir reif genug sind um diese, wie Sie sagen, so treffenden Gedanken anzusprechen.
Raphaël Imbert improvisiert am Saxophon eine Partitur, die das Programm OMAX, das von Ircam entwickelt wurde, neu arrangiert und live verzerrt. Lag der Jazz auf der Hand?
H.F. Die Livemusik, und insbesondere das Saxophon, versprüht eine wahnsinnige Atmosphäre, erinnert an den menschlichen Atem. Der Jazz steht in Verbindung mit der Verschleppung der Afrikaner nach Amerika. OMAX ist ein Programm der künstlichen Intelligenz, das in Echtzeit von der Musik von Raphaël gespeist wird und einen nicht beherrschbaren Bereich darstellt. Das passt zur Unvorhersehbarkeit, die Glissant so am Herzen lag, den Raphaël auch intensiv gelesen hat. Es liegt an den Tänzern sich an den Weg anzupassen, den die Musik einschlägt, in der Struktur, die wir vorgegeben haben.
Welche Protokolle haben Sie mit den Tänzern benutzt, um von ihnen auszugehen und die Choreographie zu schreiben?
É.L. Wir haben Situationen geschaffen, in denen die Auslöser für die Bewegung des Körpers variieren. Jeder musste Sequenzen produzieren, auf die wir uns gestützt haben, ohne dass eine einzige Bewegung von Héla oder mir kam. Nach ihren Improvisationen haben sie die Musikalität, die hinter den Gesten lag, ausgetauscht, aber nicht die Gesten! Es war das gemeinsame kreolisierte Substrat, eine Art die Einzigartigkeiten der Körper in ein starkes und sichtbares Ensemble zu bringen.
Die Inszenierung mischt Segel und Videomapping auf immersive Weise…
H.F. Das sind die Landschaften in konstanter Entwicklung. Die verwebt-enge Struktur der Choreographie lässt einen großen Platz für das Zuhören unter den Tänzern. Die transparenten Segel sind eine Projektionsfläche, die es erlaubt den Raum zu füllen und zu leeren. Die Tänzer bestimmen die Architektur des Raums, indem sie ihn manipulieren. Die Landschaft wird zu einer Figur für sich.
In den 2 scènes (Besançon) am Donnerstag den 12. und Freitag den 13. Oktober, im Théâtre du Jura (Delémont) am Samstag den 18. November, im Théâtre de Mâcon am Donnerstag den 13. November und in La Filature (Mulhouse) am Dienstag den 12. März 2024 im Rahmen der Quinzaine de la danse