Hannah Höch und ihre Montierten Welten im Zentrum Paul Klee
Mit Montierte Welten zeigt das Zentrum Paul Klee die Fotomontagen von Hannah Höch, einer Pionierin, die die Avantgarden durchstreifte.
Eine der ersten Collagen von Hannah Höch (1889-1978) aus dem Jahr 1915, Die Weisse Wolke, wurde ausgehend von einem kolorierten Holzschnitt realisiert, mit der Schere ausgeschnitten, bevor die Fragmente neu zusammengesetzt wurden, um eine Abstraktion mit einem bizarren und unbestimmbar besorgniserregenden Aussehen zu bilden. Erst ab dem Ende des Ersten Weltkrieges benutzt sie Zeitungen und Magazine als Ausgangsmaterial für eine scharfe soziale und politische Kritik. Als Mitglied der Novembergruppe, in der Expressionisten, Kubisten, Futuristen und Konstruktivisten – unter der Leitung von Max Pechstein und César Klein – aufeinandertreffen und als einzige Frau im Kreis der Berliner Dadaisten (sie ist auch Perkussionistin in der 1919 von Jefim Golyscheff aufgeführten Antisymphonie), experimentiert die Künstlerin ohne Unterlass. So kreiert sie Fotomontagen, die fast echte „Filme auf Papier“ darstellen, ausgehend von Abfällen der Massenkultur: Aufnahmen aus der Presse, etc. In der Ausstellung wird dies auf brillante Weise in einer Konfrontation mit avantgardistischen Kurzfilmen von László Moholy-Nagy (Lichtspiel Schwarz Weiss Grau, 1930) oder Hans Richter (Inflation, 1928) demonstriert.
Im Zentrum ihrer Themen steht die Anprangerung des damaligen Macho-Benehmens: So hinterfragt zum Beispiel Der Vater (1920) mit sarkastischem Humor die Emanzipation der Frauen und die Zuweisung der männlichen und weiblichen Funktionen in der Gesellschaft, ebenso wie die Serie mit starker ästhetischer Anziehungskraft mit dem Titel Aus einem ethnographischen Museum, die sie zwischen 1924 und 1930 entwickelte. So ist Mit Mütze (1924), eine Zusammenfügung zweier Gesichter, genauso eine Überlegung zur potentiellen Zwitterhaftigkeit des Geschlechts wie zu den Gesichtsversehrten nach 1918, wie in den Gemälden von Otto Dix, ebenso wie die genialen Verformungen der Gesichtszüge in Der Melancholiker (1925) oder Kinder (1925). Die unmittelbare Nähe von L’Écho d’Athènes (1913) von Braque, Werken von Kurt Schweitters oder zahlreichen Fotomontagen von John Heartfield, dem Meister der Gattung, zeigt die Bedeutung von Hannah Höch im 20. Jahrhundert. Nach 1945 wendet sie sich einem Surrealismus zu, bei dem die Natur im Zentrum steht, wobei sie sich von ihrem Garten inspirieren ließ, einem Ort der Zuflucht, an dem sie den Krieg verbracht hatte, in einer schmerzhaften „inneren Emigration“, da ihr Werk vom Dritten Reich als entartet eingestuft wurde. Fern der Politik verführen die Blüten von Vivace (1955) oder die Schönen Fanggeräte (1946), deren Nähe zu Gemälden von Max Ernst, die hier hängen, deutlich ist. Der Besucher ist auch verblüfft von Duo, gespannt (1964), mit seinen zwei süßen Kätzchen oder von Das ist kein Kunstwerk, einer undatierten Katzenorgie, zwei Kompositionen mit ironischen Akzenten, die die Welle einer ähnlichen Bildwelt im Internet vorhersehen und auf liebenswürdige Weise unsere überbordende Zuneigung zu unseren Haustieren verspotten.
Im Zentrum Paul Klee (Bern) vom 10. November bis 25. Februar 2024
zpk.org