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In Lörrach hinterfragen rund hundert Werke in Kunst und Nationalsozialismus auf intelligente Weise das künstlerische Schaffen in der Region zwischen 1933 und 1945.
Anhand von Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen von zwölf Persönlichkeiten vom Oberrhein zeichnet die Kunsthistorikerin Barbara Hauß das Portrait „einer Epoche, in der die Dinge oft komplexer waren, als das dichotomische schwarz und weiß, das man im Kopf hat“, fasst die amerikanische Ausstellungskuratorin zusammen. Davon zeugen die Gemälde von Emil Bizer und Adolf Riedlin, Mitgliedern der Badischen Secession, einer Künstlergruppe, die Ende der 1920er Jahre den Akademismus überwinden wollte. Nichtsdestotrotz hatten sie, wie Emil Nolde, das Ziel zum Aufbau des neuen Reichs beizutragen, mit bunten und modernen Kompositionen, die an den Expressionismus erinnern. Auch wenn sich der Erfolg einstellt, stufen die Autoritäten ihre Werke früh als unkompatibel mit der offiziellen Linie ein. Ihre Pinsel erstarren ab Mitte der 1930er Jahre und nähern sich dem Konformismus eines Hans Adolf Bühlers. Die sehr sakralen Gemälde dieses überzeugten und enthusiastischen Nazis verherrlichen den germanischen Gestus. Im sehr christlichen Die Heimkehr (1936) hat ein Soldat des Ersten Weltkrieges seinen Kopf in den Schoss einer strahlenden jungen Frau gelegt, einer Inkarnation der Germania, während Soldatengrab (1942) eine Grabstätte in Form einer „Todesrune“ darstellt, die oft in den Bestattungscodes der SS benutzt wurden. Zu seinen Füßen erahnt man die Überreste einer Hakenkreuzfahne, die anschließend ungeschickt mit Pigmentschichten übermalt wurde, welche einen Rasen darstellen sollen.
Im Laufe der verschiedenen Ausstellungsräume erläutern ausführliche Dokumenten-Säulen den Kontext der Werke, wie jenes von August Babberger, Professor an der Karlsruher Kunsthochschule mit einem zarten Expressionismus. Ab 1933 wird er aus politischen Gründen vom Direktor der Institution, der kein anderer als Bühler ist, ausgegrenzt. Dieser bietet ihm die Leitung des Textillehrstuhls an. Er lehnt ab und kündigt, setzt aber weiter seine Bemühungen um öffentliche Aufträge fort. Man entdeckt auch zwei Brüder, Hermann und Adolf Strübe: Der Erste preist das Blut und den deutschen Boden (mit höchst politischen Landschaften, wie jener der Gesprengten Feste aus den 1930er Jahren, einer Allegorie der an Frankreich zu nehmenden Rache), während der Zweite sich in Kompromisse verstrickt, zwischen Regimetreue und einer Suche nach einer bildlichen Unabhängigkeit mit vagem widerständischem Charakter. Einige Persönlichkeiten wie Adolf Glattacker und Eugen Feger wurden nach 1945 zu respektierten Personen und taten alles um ihre Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen: Ein Still-Leben mit lebendigen und modernistischen Magnolien, die letzterer 1933 malte, steht einem anderen von 1944 gegenüber, in dem die Begonien im der tödlichen Starre des Nationalsozialismus festgehalten zu sein scheinen. Wie ein eklatantes Resümee dieser Zeit.
Im Dreiländermuseum (Lörrach), bis zum 30. Mai 2021
dreilaendermuseum.eu
> Parallel dazu präsentiert das Museum eine Ausstellung des Stadtarchivs Lörrach, Gefeiert und gefürchtet mit einem Fokus zur Zeit der NS-Diktatur in den Gemeinden Brombach, Haagen und Hauingen
> Geführte Besichtigung mit der Ausstellungskuratorin Barbara Hauß 15.10., 02.12., 15.12., 10.01., 26.01., 12.02., 14.03., 13.04., 11.05., 23.05. (18 Uhr)