Goethes Metamorphose in Straßburg

Jean Jacques Prior, Architecture éphémère pour accueillir la dau- phine, 1770, Strasbourg, Musée des Arts Décoratifs. Photo : M. Bertola/ Musées de Strasbourg

Vor 250 Jahren hielt sich Goethe in Straßburg auf. Eine Ausstellung blickt auf diese produktive Periode zurück, die das Erwachen eines genialen Geistes bedeutete.

Ein bisschen mehr als ein Jahr, zwischen April 1770 und August 1771: Die Zeit, die Johann Wolfgang Goethe in Straßburg verbrachte, kann kurz erscheinen, aber es „waren entscheidende Monate. Dieser Aufenthalt diente als echter Katalysator“, fasst einer der beiden Ausstellungskuratoren, Florian Siffer1, zusammen. Und der Verantwortliche des Kupferstichkabinetts der Museen fährt fort: „Ein Unbekannter von 21 Jahren kommt in die Stadt um sein Jurastudium fortzuführen und seine Kenntnis der französischen Sprache und Kultur zu vertiefen. Ein Mann, der weiß was er will, kehrt aus ihr zurück.“ Der thematisch gegliederte Rundgang mit rund 120 Werken beginnt mit den Spuren, die der Dichter hinterließ, wie der Präsenz seines Namens auf dem Einschreiberegister der Universität vom 18. April 1770. Der Besucher entdeckt auch den Ort, an dem er lebte, das Hôtel de l’Esprit (mit einer charmanten Gravur von Benjamin Zix), das heute verschwunden ist und sein Zimmer in der Rue du Vieux-Marché-aux-Poissons. Es wird auch die Gelegenheit geboten in die Atmosphäre einer Stadt einzutauchen, in der sich damals das Kunsthandwerk entfaltete: Es ist, zum Beispiel, die Blütezeit der Straßburger Fayence, die von der Hannong-Dynastie verkörpert wird. Auch das intellektuelle Leben ist intensiv, so ehrt eine Portrait-Reihe Persönlichkeiten wie den Historiker Jean-Daniel Schoepflin oder den Chemiker Jacob Reinbold Spielmann. Zwischen ihnen thront majestätisch Johann Gottfried Herder, gemalt von Anton Graff, der „als spiritueller Vater Goethes betrachtet werden kann“.

Auch die Episode um die Durchreise von Marie-Antoinette am 7. Mai 1770, die auf dem Weg zu ihrem Ehegatten Ludwig XVI. in Paris ist – den sie bis dahin noch nicht getroffen hatte – wird ausführlich behandelt. Dieses Ereignis beeindruckte den jungen Mann zutiefst, der das vergängliche Gebäude besichtigte, das die zukünftige Königin empfangen sollte, in welchem unter anderem eine Gobelins-Tapisserie hing, die er geschmacklos fand. Sie stellt in der Tat die turbulente und tragische Liebe von Iason und Medea dar… Im Laufe der Räume entfalten sich Goethes Liebschaften (mit dem Entwurf eines Briefes an Frédérique Brion2) und seine ästhetischen Faszinationen. Die wichtigste unter ihnen ist natürlich die Kathedrale, die er als reinstes Manifest des germanischen Genies betrachtet. Hier reift sein Werk Von deutscher Baukunst (1772) heran, eine Hymne zu Ehren von Erwin von Steinbach: Neben Darstellungen des Monuments im 18. Jahrhundert wird ein atemberaubendes Gemälde von Théophile Schuler gezeigt. Der Besuch endet mit späteren Erwähnungen von Goethes Aufenthalt in Straßburg, Erinnerungen voller Zärtlichkeit, wie in den Gravuren von Henri Bacher, oder Aneignungsversuchen des Dritten Reichs, das ihm ein Museum widmen wollte um das Deutschtum des Elsass zu illustrieren.


Im Palais Rohan / Galerie Heitz (Straßburg), bis zum 31. Mai
musees.strasbourg.eu

1 Gemeinsam mit Aude Therstappen von der Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg – bnu.fr
2 Tochter des Pfarrers von Sessenheim, in die sich Goethe verliebt.
Der Dichter schreibt seine Gefühle seien „der nächtlich geworfenen Bombe zu vergleichen, die in einer sanften, glänzenden Linie aufsteigt, sich unter die Sterne mischt, ja einen Augenblick unter ihnen zu verweilen scheint, alsdann aber abwärts, zwar wieder dieselbe Bahn, nur umgekehrt, bezeichnet, und zuletzt da, wo sie ihren Lauf geendet, Verderben hinbringt“

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