Fondation Beyeler: die engagierte Kunst von Doris Salcedo

Palimpsest, 2013-2017, vue d’installation Fondation Beyeler, Riehen/Bâle, 2022. Courtesy of Doris Salcedo and White Cube © Doris Salcedo

Zwischen individuellem Trauma und kollektiver Trauer hinterfragen die Werke von Doris Salcedo die Brutalität unserer Epoche in der Fondation Beyeler

Sorgfältig gefaltete weiße Hemden, in Gips erstarrt, verraten die Abwesenheit der Körper, streng aufeinandergestapelt und von Stahl-Stangen durchbohrt. Untitled (1989-93) empfängt den Besucher mit seiner Radikalität, erinnert an die Massaker, die in den Bananenplantagen Kolumbiens im Jahr 1988 stattfanden. Auch wenn dieses Werk die Gewalt im Heimatland von Doris Salcedo denunziert, bekommt es einen universellen Anklang mit dem Schmerz, den es vermittelt. Neben anderen – rund hundert Werke aus acht großen Serien – ist diese Installation repräsentativ für den kreativen Prozess der Künstlerin: „Ich mache gründliche Recherchen. Ich arbeite wie ein Detektiv, treffe die Opfer von Gewalt, ihre Familien und spreche lange mit ihnen, ich bin vor Ort, um möglichst viele Elemente zu sammeln um ins Zentrum der Komplexität der Dinge einzutauchen.“ Anschließend isoliert sie sich. Stellt sich vor. Zeichnet. Bevor sie mit einem ganzen Team von Architekten, Designern und Technikern kreiert. Sie betont: „Alle meine Werke sind kollektiv.

Fondation Beyeler : Disremembered X, 2020/2021, Glenstone Museum, Potomac, Maryland © Doris Salcedo. Photo : Ron Armstutz
Fondation Beyeler : Disremembered X, 2020/2021, Glenstone Museum, Potomac, Maryland © Doris Salcedo. Photo : Ron Armstutz

Der Rundgang durch die Säle der Fondation Beyeler ist faszinierend, aber nervlich herausfordernd, so als ob man durch ein riesiges Mausoleum wandeln würde, in dem die Schatten tausender Verstorbener schweben. So ist es mit Palimpsest (2013-2017), einer Installation, die einen riesigen Saal von 400 Quadratmetern einnimmt. Der Boden weint buchstäblich die Namen hunderter Migranten, die in den letzten zwanzig Jahren im Mittelmeer ertrunken sind. Wassertropfen quellen aus den sandfarbenen Steinplatten hervor. Bilden Buchstaben. Und dann wird der flüchtig erschienene Name wieder ausgelöscht, von einem anderen ersetzt, bildet eine Grabstätte, die den Besucher zur Andacht anhält. Ebenso feinsinnig ist A Flor de Piel (2011-2014), ein zartes Leichentuch für eine Krankenschwester, die in Kolumbien zu Tode gefoltert und deren zerstückelter Körper nie wiedergefunden wurde, aus hunderten zusammengenähten Rosenblättern. Minimalistisch wie andere ist diese Komposition eine wunderbare Metapher für die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz und die Brutalität der Menschen. Und schließlich ist der Besucher fasziniert von Plegaria Muda (2008-2010), einem Labyrinth aus Tischen, die als Paare, Rücken an Rücken – oder besser gesagt, Tischplatte auf Tischplatte – aufeinandergestapelt sind, getrennt von einer Erdschicht. Sie erinnern an Särge und unterstreichen, dass die Gangs von Los Angeles und ihre Opfer aus den gleichen benachteiligten Schichten stammen. Zwei Seiten einer gleichen Misere zeigen sich in diesem stillen Gebet, in dem aus den Spalten der Holzoberfläche zarte Grashalme wachsen, wie Schreie der Hoffnung, die zeigen, dass das Leben stärker ist.


In der Fondation Beyeler (Riehen / Basel) bis 17. September
fondationbeyeler.ch

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