Beyond The Medici enthüllt die Glanzstücke des Florentiner Barock

Alessandro Gherardini, L'Annonciation, collection de la famille Haukohl

Dank der Perlen der Sammlung Haukohl enthüllt Beyond The Medici verkannte Glanzstücke des Florentiner Barock.

Keine Stadt ist enger mit dem Aufschwung der Renaissance verbunden, als die Hauptstadt der Toskana. Die Medicis herrschten hier zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert, Donatello und Bruneschelli erfanden hier die Perspektive, womit sie die Codes der bildlichen Darstellung in der westlichen Welt für immer revolutionierten. Das Schicksal von Florenz in den Jahrhunderten, die auf dieses goldene Zeitalter folgten, ist weniger bekannt – Rom, Venedig oder Neapel drängten die „Bella città“ in den Hintergrund. Die europäische Tournee der Werke, die der amerikanischen Familie Haukohl gehören, wurde vom Musée national d’Histoire et d’Art du Luxembourg ins Leben gerufen und enthüllt verkannte Glanzstücke des Florentiner Barock. Diese Sammlung, die vor vierzig Jahren angelegt wurde, stellt heute das wichtigste Ensemble dieser Strömung außerhalb Italiens dar. Als ehemaliger Bankier an der Wall Street begeistert sich der aus einer Sammlerfamilie stammende Mark Fehrs Haukohl ab den 1970er Jahren für die toskanischen Künstler des Großen Jahrhunderts und entdeckt, als guter Investor, dass diese Werke am Markt nicht sehr gefragt sind. So ersteht er zahlreiche Werke zu sehr geringen Preisen… die heute ein Vermögen wert sind, wie die himmlische Jungfrau mit Kind von Onorio Marinari (1626- 1716). Die absolute Perfektion des Strichs und die in sich ruhende Reinheit, die von ihr ausgeht, sind charakteristisch für den Konservatismus, der im Seicento in der ehemaligen Wiege der Renaissance herrschte.

Die Jungfrau und das Kind, Onorio Marinari, Sammlung der Familie Haukohl.

Zeichnung gegen Farbe
Im Gegenteil zum venezianischen Barock, der von einem Farbenrausch mitgerissen wird, hebt sich die Florentiner Schule von ihrer Treue zum Klassizismus eines Raffael ab. Hier dominiert die Zeichnung. Der Verstand ist maßgebend. Im magnetischen Judith enthauptet Holofernes von Marinari, findet man weder spektakuläre Lichteffekte, noch die schreckliche Stärke der Gewalt im Gemälde von Caravaggio zum selben Thema. Die dramatische Macht der Szene ist gedämpft um besser die moralische Schönheit der jungen Frau hervorzuheben, die ihr Volk vor der Sklaverei rettet, indem sie die Kehle des assyrischen Chefs mit einer höchst delikaten Geste aufschneidet, inmitten von reichen Stickereien und Seidenstoffen. Was das Gemälde an Ausdruckskraft oder psychologischer Introspektion verliert, kompensiert es mit technischer Feinheit und der Eleganz der Komposition. Die toskanischen Künstler, die die ehrwürdige Accademia del Disegno besucht haben, sind Virtuosen des Zeichenstifts. Man ist fasziniert von der Sanftheit des Teints der dargestellten Figuren, der Finesse und der Präzision ihrer Gesichter. Der heilige Sebastian wird von der heiligen Irene gepflegt von Felice Ficherelli (1605-1660) strahlt Sinnlichkeit aus. Der Heilige, dessen Körper von den Pfeilen der Bogenschützen des Kaisers Diokletian durchbohrt wurde, gehört zu den meistdargestellten Martyrern der Kunstgeschichte. Hier liegt er auf einem Bett, mit leicht angehobenem Oberkörper, in einer Position, die an die römischen Repräsentationen des Tricliniums erinnert. Er hat das Gesicht und den Blick zum Himmel gerichtet, die Hände zum Gebet gefaltet, was eine Mischung aus christlichem Opfergeist und Seligkeit suggeriert, während Irene ihm liebevoll die Pfeile aus dem Körper zieht.

Portrait von Galilei, Antonio Montauti, Mehrfarbige Stuckreliefs aus der Sammlung der Familie Haukohl

Alle präsentierten Gemälde sind mit opulenten Rahmen geschmückt, von denen einige Originale sind, während andere von den besten zeitgenössischen Handwerkern Italiens im Stil der Zeit angefertigt wurden – eine Obsession von Mark Fehrs Haukohl. So fesselt die Allegorie der Dichtung von Felice Ficherelli ebenso durch die idealisierte Schönheit ihres neo-klassischen Gesichtes, wie durch den freigiebigen Rahmen aus schwarzem Ebenholz, rotem Marmor und blauem Lapis Lazuli. Inmitten dieser Gemäldeschätze trifft man auf eine schöne Überraschung: Ein Ensemble von vier mehrfarbigen Stuckreliefs von Antonio Montauti (1683-1746), einer Größe der italienischen Skulptur des 18. Jahrhunderts. Büsten von Michelangelo, Galilei, Machiavelli und Marsilio Ficino. Auf das der künstlerische und intellektuelle Ruhm der Stadt der Großfürsten, nie in Vergessenheit gerate.


Im Musée national d’Histoire et d’Art (Luxemburg), bis zum 21. Februar 2021
mnha.lu

Die Ausstellung kann auch virtuell besichtigt werden

Im Palais des Beaux-Arts (Brüssel), von Juni bis September 2021
bozar.be

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