Yan Pei-Ming, Im Namen des Vaters im Musée Unterlinden
In Colmar zeichnet Im Namen des Vaters auf elegante Weise den Weg von Yan Pei-Ming nach, von den Mao-Darstellungen bis zu Selbstportraits in Zeiten des Coronavirus.
Die Chefkuratorin im Musée Unterlinden, Frédérique Goerig-Hergott wollte „eine Ausstellung mit Retrospektiven-Charakter, die die gesamte Karriere von Yan Pei-Ming (geboren 1960) umfasst“. Mission geglückt mit einem Rundgang, der in einem intimen Kabinett beginnt, in dem sich in Shanghai realisierte Zeichnungen ausbreiten, Selbstportraits vom Ende der 1970er Jahre, die vom kombinierten Einfluss der französischen Schule und dem sozialistischen Realismus nach der Kulturrevolution geprägt sind. Nach seinem Diplom an der Kunsthochschule von Dijon im Jahr 1986 befasst sich der Künstler mit dem Thema Mao. Seine ersten Gemälde nehmen die Codes der Propaganda auf, um diese noch besser zu sprengen: Mit Roter Kragen (1987), steht das schraffierte Portrait des Großen Steuermanns – das an einige Werke von Gerhard Richter erinnert – neben einem knallroten Ideogramm. Nach und nach erschafft der Künstler ein Universum in dem die Portraits außergewöhnlich ausdrucksstark sind ; darin ist er der Anti-Warhol par excellence. Aus den Gesichtern scheint eine Pigment-Scholle herauszuquellen, wie aus dem Nichts, mit Gewalt modelliert, in monumentalen Kompositionen wie einem Portrait von Mao (1990).
Nach dem Vaterland ist es der biologische Vater, der in den riesigen Gemälden auftaucht, in allen möglichen Arten beschrieben als der Mann, der der…. je nach Adjektiv (schwächste, faulste, sanfteste, ehrbarste, etc.) ist. Eine andere väterliche Figur, Buddha, durchzieht das Werk von Yan Pei-Ming, aber egal welches Thema: Der Künstler scheint sich immer für den Menschen in seiner Gesamtheit zu interessieren. Seine Farbschichten, die mit großen wilden Bürstenstrichen aufgetragen sind, komponieren Gesichter, die wie Landschaften sind, in denen sich alle Nuancen von Grau, seltener Rot oder Blau entfalten. Diese Universalität wird illustriert von Nom d’un chien! Un jour parfait (2012) einem luftigen, christlichen Triptychon, in dem sich der Künstler in Levitation, aus einer Schicht von grauen Pigmenten aufsteigend, darstellt. Mit Pandémie (2020), das er speziell für die Ausstellung als Antwort auf den Isenheimer Altar realisiert hat, drückt er „eine Angst aus, die heute die unsrige ist. Es ist ein Standbild der Zeit, in der wir leben“, fasst er zusammen. Ein bleicher Mond hebt sich vor einer düsteren Ebene ab, in der Ferne erahnt man Gebäude des sozialen Wohnungsbaus. Im Vordergrund Körper in Leichensäcken. Aufeinandergestapelt. Fertig für das Massengrab. In dieser apokalyptischen Version des Begräbnisses in Ornans von Courbet ist der Künstler anwesend, in Schutzanzug, mit Maske, in einer Pose verharrend, die an die Protagonisten des Angelusläutens von Millet erinnert. Der Betrachter ist ergriffen. Verlässt die Ausstellung nicht unversehrt, kaum aufgeheitert von einem Hoffnungsschimmer, der auf einer Kuppel liegt, die an den Petersdom in Rom erinnert.
Im Musée Unterlinden (Colmar), bis zum 6. September
musee-unterlinden.com
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