FARaway und die mediterranen Erzählungen
Das fünfte interdisziplinäre Festival der Künste in Reims, FARaway, interessiert sich für die Erzählung aus dem Mittelmeerraum.
An den Ufern dieses Binnenmeeres ist Frankreich Nachbar von Welten, die ebenso nah wie fern sind und sich zum Nahen Osten und Afrika hin öffnen. Der Choreograph Radhouane El Meddeb, der in Tunesien aufgewachsen ist, bevor er das Mittelmeer überquerte, präsentiert eine neue Kreation. Le Cabaret de La Rose Blanche (03.03., Le Manège dann in Straßburg am 15. & 16.05., Pôle Sud) mischt Realität und Fiktion, Träume und Wunschvorstellungen, um sich der Erinnerung einer Epoche anzunähern, die nicht mehr ist, die aber nichtsdestotrotz dabei hilft sich in der aktuellen Welt zurechtzufinden. Auf seine Weise, festlich und voller Großzügigkeit nimmt er sich Kult-Liedern seines Landes und Klassikern des ägyptischen Kinos an, die seine Generation geprägt haben. Die Hoffnung der Jahre 1950-70, die von der Revolution in Tunesien im Jahr 2011 wiederbelebt wurde, ist dennoch unter dem konservativen Ansturm erloschen. Die Weiße Rose des Titels verweist ebenso auf einen musikalischen Film von 1933, wie auf den Namen der deutschen Widerstandsgruppe im Jahr 1942. Dieses Kabarett feiert diesen vitalen Schwung, das Streben nach Traum im Angesicht der xenophoben Bewegungen und der aktuellen Abkapselung.
Ein weiteres Projekt, das auf eine düstere Epoche zurückkommt, Renacimiento (02. & 03.02., La Comédie), blickt ab dem Tode Francos im Jahr 1975 auf fünf emblematische Momente der spanischen Geschichte zurück, anhand von Austausch und vertraulichen Mitteilungen von Technikern eines Theaters in Madrid. Eine Renaissance im Angesicht des Verlangens nach Rückeroberung (Reconquista) der aktuellen extremen Rechten. Sie sind 20, die Hand in Hand arbeiten, um Stücken Leben zu verleihen, die von einer konkreten demokratischen Erfahrung zeugen, welche über das Intime und das Kollektive geht. Davide Carnevali seinerseits nimmt sich der Frage des Staatsterrorismus, auf beiden Seiten des Atlantiks, an. Die Verschwundenen (desaparecidos) suchen sein Portrait de l’artiste après sa mort (France 41 – Argentine 78) heim, das er bei jeder Wiederaufnahme an das Land anpasst, in dem er empfangen wird. Für Frankreich hat er Marcial Di Fonzo Bo ausgewählt (31.01. & 01.02., La Comédie) und er koloriert diese autobiographische Erzählung des Parcours des argentinischen Schauspielers. Er liefert eine Geschichte, die vom Nazi-Regime bis zur Videla-Diktatur reicht (1976- 1983), während ein mechanisches Klavier ohne Musiker spielt. Auf der Suche nach der Geschichte ist diese Spurensuche eine Mise en abyme des Theaters und der Repräsentation der Abwesenden. Wie soll man sie erfinden? Ihnen Leben einhauchen? Was gäbe es Besseres als die Schauspielkunst um eine gemeinsame Geschichte über ein individuelles Schicksal zu teilen…
In der Cartonnerie, im Césaré, in La Comédie, im Frac, im Manège, in Nova Villa und in L’Opéra (Reims) vom 30. Januar bis 10. Februar