Face to face : Les Giboulées sind wieder zurück im TJP
Nach der Absage der letzten Ausgabe der Biennale Corps-Objet-Image sind Les Giboulées wieder zurück in Straßburg, mit rund dreißig Präsentationen.
Emotionen liegen in der Luft. Das ist das überwiegende Gefühl in dem Moment an dem dieser große Termin des Monats März im TJP ansteht. Einerseits zum letzten Mal unter der Leitung von Renaud Herbin, da er zum Jahresende, nach einem fruchtbaren Jahrzehnt, seine Amtszeit beendet. Und andererseits ist – endlich! – der Moment gekommen André Pomarat (1930-2020), die letzte Ehre zu erweisen, einer Hauptfigur des Theaters in der Region, der zur ersten Gruppe dessen gehörte, was zur École supérieure d’Art dramatique des TNS1 wurde und der 1974 die Maison des Arts et Loisirs (das zukünftige Théâtre Jeune Public, später TJP) gründete und im darauffolgenden Jahr Le Giboulées.
Von Menschen und Welten
Unter den 22 gezeigten Aufführungen signiert Renaud Herbin seine erste Kreation mit choreographischer Dominanz. In Par les bords (04.-06.03., TJP grande scène, ab 10 Jahren) bewegt sich Jean-Baptiste André in einem minimalistischen Territorium, in der Begleitung der Oud von Grégory Dargent und der verzaubernden Stimme von Sir Alice. Als entwurzelte Figur, die ins Exil gedrängt wird, sucht er seinen Platz in der Welt mit dieser gänzlich flüssigen Körperlichkeit, die den Zirkus-Tänzer charakterisiert. Verpassen Sie auch nicht La Messe de l’âne (19.03., Théâtre de Hautepierre, ab 15 Jahren) des Plastikers Olivier de Sagazan. Seine Schauspieler und er werden zu lebendigen und hybriden Skulpturen, auf halbem Weg zwischen Abscheulichkeit und Bestialität. Der mit Lehm bedeckte Körper wird vor lauter missgebildeten und weichen Auswüchsen dicker. Wie bei diesem Fest der Verrückten im Mittelalter – das auch Eselsfest genannt wurde – kehrt die heidnische Maskerade die Normen um, treibt ihr Spiel mit der Nacktheit und der Schönheit, hinterfragt dabei die Macht und das Tierische in uns.
Eine andere Furcht behandelt Terreurs (04. & 05.03., TJP grande scène, ab 14 Jahren), jene der Gruppe Les Surpeuplées, die hier ihr allererstes Stück zum poetischen Text der Bildhauerin und militanten Queer-Feministin Jil Kays präsentiert. Das Publikum folgt darin einer Frau, die versucht vor den feindlichen Figuren zu fliehen, die ihre Nächte bevölkern und sie in einem Angstschrei aufwachen lassen. Die nächtlichen Ängste enthüllen die Unterdrückungen und Anweisungen zur Norm mit einer Mischung aus Text, optischen Illusionen und Objektmanipulation. Zwischen zweihundert kleinen Schweinen und einem blutenden Tisch, verspricht die Reise in unsere kollektiven Ängste nicht allzu erholsam zu sein.
Unsere letzte Empfehlung gilt Le Grand Souffle (11.-13.03., TJP grande scène, ab 8 Jahren), getragen von Hélène Barreau, einer ehemaligen Schülerin der École nationale supérieure des Arts de la Marionnette in Charleville-Mézières. Ein Stück für einen lebensgroßen Hampelmann und eine Schauspielerin-Begleiterin, die die Manipulation der Fäden auf Distanz anhand eines Systems aus Seilen und Installationen neu interpretiert, zu der sich dokumentarische Aufnahmen von der Bretagneküste mischen. Eine Geschichte der Erhebung nach einem Unfall, der Neuaneignung des eigenen Körpers anhand des Windes, des Lebens anhand des Atems.
1 Das Théâtre national de Strasbourg hieß noch Centre dramatique de l’Est und war also ein CDN. Ein Centre dramatique national ist ein öffentliches Theater, das Stücke kreiert und produziert, vom französischen Kulturministerium mit einem Label versehen ist und von einem oder mehreren Künstlern geleitet wird.
Im TJP und an 12 Orten der Eurometropole Straßburg vom 4. bis 19. März
tjp-strasbourg.com