Fabienne Verdier im Musée Unterlinden in Colmar
In Colmar lässt Fabienne Verdier den Gesang der Sterne erklingen, in einer flimmernden Entzückung, die in einer Leichenhalle gipfelt, in der 76 rainbows-paintings installiert sind.
In Saarbrücken taucht Fabienne Verdier in das Auge des Kosmos ein: In Resonanz auf die deutsche Ausstellung, beginnt Der Gesang der Sterne mit Cetus (2018), einem walking-painting1, das von den Klangwellen des Streichquartetts von Dutilleux, Ainsi la nuit, inspiriert wurde, einer starken, introspektiven Seite. Ein Vorspiel zu einem Spaziergang durch die Sammlungen des Musée Unterlinden „wo Werke aus den vergangenen zehn Jahren mit den Sammlungen in einem Spiel der Korrespondenzen dialogisieren“, fasst Frédérique Goerig-Hergott, seine Kuratorin, die das Haus gut kennt, zusammen2. Dieser Rundgang illustriert insbesondere den existierenden Zusammenhang zwischen den alten Meistern und der zeitgenössischen Künstlerin, die vom Dominikaneraltar von Schongauer fasziniert ist. Christi Himmelfahrt, „die beinahe abstrakt ist, zeigt vom Körper Christi fast nur die Füße mit den Stigmata, der Rest verschwindet in Wolken“, beschreibt sie. In einem winzigen Raum, einem echten Hallraum, von dem aus das Werk aus dem 15. Jahrhundert sichtbar ist, entfalten sich drei Gemälde, darunter das atemberaubende Petit Sang du Christ (2011). Das Gespräch zwischen den Epochen ist von unendlicher Delikatesse, handelt von den Lichtbrechungen, den ganz feinen und variierenden Nuancen der Farben, ihren Vibrationen, den Nuancen der Lasierungen… Ohne etwas Frontales setzt sie sich rund um Gemälde von Henner, Poliakoff oder Dubuffet fort, die einen Initiationsweg kreieren, den Besucher ins Zentrum des totalen Kunstwerks führen, den die Installation Rainbows (2019-22) darstellt.
Zu dieser Gelegenheit realisiert, vereint sie 76 riesige Gemälde mit Bezug zur Bildtafel der Auferstehung des Isenheimer Altars von Grünewald, was eine echte Revolution für Fabienne Verdier darstellte, die lange, ähnlich wie Pierre Soulages, das Spektrum des Lichts anhand der Schwärze erkundete, die alle Farben absorbiert: „Ich wollte so nah wie möglich am Regenbogen sein und die Immaterialität des Lichts malen, seine Flüchtigkeit, seinen unendlichen Ausdruck, die Variationen seiner Kombinationen.“ Diese Leichenhalle, die allen Verstorbenen des Coronavirus gewidmet ist, ist ein Ort der Kontemplation und der Stille, ein Ort der Andacht an dem sich neue „Ikonen des Trostes, Energiefragmente, die den Lebenden hinterlassen wurden“ entfalten. So sind wir kaum verwundert, dass sich die Künstlerin auf Andreï Roublev bezieht… Jedes Gemälde trägt einen (Vor)Namen in Bezug zur Aussage, eine gemeinsame Arbeit mit Linguisten: Bagdasar (Strahlenbündel auf tatarisch), Okka (Meteor auf birmanisch), Vahin-Danitra (Milchstraße auf madagassisch) … Im hinteren Teil des Kirchenschiffes scheint sich alles auf zarte Weise in einem riesigen Vortex (2021) aufzulösen, einer gigantischen strudelförmigen Komposition in Form einer Auflösung der Materie, die von einer intensiven Menschlichkeit geprägt ist.
Im Musée Unterlinden (Colmar) bis zum 27. März 2023
musee-unterlinden.com
In der Modernen Galerie des Saarlandmuseums (Saarbrücken) bis zum 26. Februar 2023. Siehe Poly Nr. 250 oder auf poly.fr
modernegalerie.org