Kontakthof Kult-Stück von Pina Bausch

© Photo de von Reiner Pfisterer

Das 1978 uraufgeführte Kult-Stück von Pina Bausch, Kontakthof, wird zu unserer großen Freude weiterhin aufgeführt.


Die Kulturwelt war überrascht über die Nominierung von Boris Charmatz an die Spitze des Tanztheaters Wuppertal, der Tanztruppe, die von Pina Bausch gegründet wurde, aber niemand ist über die Langlebigkeit von Kontakthof erstaunt. Dieser ersten Version hatte sie zwei Variationen hinzugefügt, die eine im Jahr 2000 mit älteren Personen ohne Beziehung zum Tanzmilieu (Kontakthof für Damen und Herren ab 65) und die andere 2008 für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Vier Jahrzehnte später spielt das Stück immer noch, entfaltet das Tanz-Theater von jener, die im Jahr 2009 überraschend verstarb. Diese Original-Version des Werks entspricht für die Choreographin einem erfolgreichen und günstigen Moment. Im Jahr 1978 signiert sie nicht nur Kontakthof sondern auch Café Müller, ein Meisterwerk, das von dem bescheidenen Etablissement inspiriert ist, das ihre Eltern führten.

In einem Ballsaal sind 24 Tänzer, Männer und Frauen, aufgereiht wie bei einer Parade. Drei Stunden lang demonstrieren sie die Komplexität der Beziehungen zwischen den beiden Geschlechtern. Individuell oder in Gruppen gehen ihre Verführungsversuche von Zärtlichkeit bis zur Konfrontation, von Kontrolle bis zum Pathetischen. Hier spielt jeder und beweist eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Man zeigt sich, macht spürbar was im tiefsten Inneren vor sich geht. Alles das was man üblicherweise verheimlicht. Die Intensität der Wesen – Satin-Kleider und nackte Schultern für die Frauen, Kostüm und Krawatte für die leicht steif aussehenden Herren – verblüfft. In diesem Ball der Träume, der über das Oberflächliche hinausgeht, entstehen in stillstehenden Momenten zahlreiche ergreifende Bilder, die einem Film von Wim Wenders würdig wären, mit diesem gleichen Anteil der verlorenen Kindheit: Eine Frau auf einem Karussell-Pferd für Kinder wird von einer anderen, neidischen aber schüchternen, erwartet, die schließlich mit ihr geht. Zahlreiche Figuren durchschreiten die Flaute der maßlosen Streitigkeiten, die zu choreographischen Faustkampf werden, wie abwesende Schatten. Ein Engel zieht vorbei… gedankenverloren, unerschütterliche Betrachter der Qualen des Menschen.

Auch wenn die Sprache der Sinne, wie selten, das Leben zeigt, schleudern die Worte alles Unausgesprochene heraus, eine Mischung von Trieben und der Schwierigkeit sich zu vertragen, auch im Verlangen. Solange man sich auf Distanz auszieht, gelähmt von Lust, bleibt die Poesie des Körpers am Werk. Aber sobald der Abstand abnimmt und die Häute sich berühren, stoßen sie auf die Besessenheit des Besitzes, auf den unkontrollierten Überschwang, das Streicheln des einen, die mit mehreren klar unbequem werden. Die Gewalt der Beziehungen taucht ständig auf: In einem Spiel der Dominanz und der gerufenen Befehle, zu einer Tango-Musik, genau wie zu einem plötzlichen Boogie Woogie am Klavier, bei dem jeder loslässt, bewegen sich die Männer wie brünstige Primaten, an ihre Stühle gefesselt, wobei sie die Frauen an die Wand drängen, bevor sie in schlaksigen Schleifen die Bühne überqueren um sie zu beuteln.


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