Die Staatsgalerie Stuttgart ehrt Modigliani
In Stuttgart explodiert die Schönheit der Werke von Modigliani. Moderne Blicke zeigt den Maler im Kontext des europäischen Wirbelsturms der Kunst.
Als echter Meteor am Firmament der Kunst wird Amedeo Modigliani (1884-1920) in einer doppelten Dimension in der Staatsgalerie Stuttgart gefeiert. Die erste Achse, die erkundet wird, ist jene der Beziehung zu den Frauen, die ein Mann unterhält, der „mit einem Auge die Außenwelt beobachten (wollte), um mit dem anderen sein tiefstes Inneres zu betrachten.“ Diese Vision erstrahlt in Gemälden, in denen die Primitiven Künste, die Kykladenidole und die Anmut der italienischen Malerei des Quattrocento von Fra Angelico oder Botticelli sich in einem erstaunlichen Synkretismus begegnen. Die Darstellungs-Kanons sind wohlbekannt: Die mandelförmigen Augen mit inexistenten Pupillen, die gestreckten Körper mit unverhältnismäßigen Hälsen, lange gerade Nasen und Münder mit feinen Lippen… Anfang des 20. Jahrhunderts inszeniert der Künstler erobernde Frauen, unabhängige junge Mädchen, die an die Visionen der Neuen Sachlichkeit erinnern. Davon zeugen zahlreiche androgyne Portraits wie jenes von Elena Pawlowski (1917), oder eines jungen Mädchens, das unter dem Vornamen Victoria (1917) bekannt ist. Kurze Haare, maskuline Kleidung, melancholisches Aussehen, ein bisschen desillusioniert. Das Bild der Frau ist bahnbrechend und Modigliani wird zum Chroniker eines aufkommenden Bewusstseins. Prächtige liegende Akte, die Madonnen der Moderne ähneln, illustrieren dies auf strahlende Weise.
In diesem reichhaltigen Rundgang, der uns in die Zeit des French Cancan und des Kabaretts eintauchen lässt, entfalten sich überwältigende Werke, von einer herrlichen Skizze einer nackten tanzenden Frau mit blauer Tusche (1909), einer genialen Verkörperung der Bewegung selbst, zu einem seltenen Kopf aus Kalksandstein von zarter Feierlichkeit (um 1909-1912), über ein Ölgemälde, das eine Karyatide (1911/12) darstellt. Diese Letztere steht einer Skulptur von Wilhelm Lehmbruck gegenüber, was die Durchlässigkeit zwischen den beiden Werken zeigt und zur zweiten Dimension hin öffnet, die diese reichhaltige Präsentation durchzieht. Indem Werke von Modigliani mit jenen von anderen Künstlern – Jeanne Mammen, Gustav Klimt, August Macke, etc. – gegenübergestellt werden, wird in der Tat ein Portrait der Avantgarde der damaligen Zeit gezeichnet, das die stilistischen Parallelen zutage bringt, die manchmal fast unsichtbar sind, aber die Konturen eines „Geistes der Zeit“ skizziert. So ist die Gegenüberstellung zwischen einem Mädchen in blauer Schürze (1918), einem Portraits von Herbert Reiner, das 1910 von Egon Schiele realisiert wurde und eines auf einem Stuhl sitzenden Kindes von Paula Modersohn-Becker (1900) erleuchtend. Aus den dreien strömt eine identische Melancholie hervor, selbst wenn die Introspektion und das Geheimnis einzig das Gemälde von Modigliani erfüllen, der sagte: „Wenn ich deine Seele kenne, werde ich deine Augen malen.“
In der Staatsgalerie Stuttgart bis zum 17. März
staatsgalerie.de