Die Ragamala-Malerei entfaltet sich im Museum Rietberg

Atelier Bundelkhand encore non identifié, Ragini Bibhasa, Folio 35 d’une série de ragamala, poète Dichter Lachhiman, Bundelkhand, Panna, 1700-1710, Museum Rietberg, Don de Eva & Konrad Seitz © Museum Rietberg

Schmuckstücke der indischen Miniaturmalerei, die Ragamala-Bilder, entfalten sich im Museum Rietberg. Sie zeigen Bilder für alle Sinne. 

Zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert beauftragten die indischen Königshöfe Künstler, um Ragamala-Malerei- en zu produzieren, ein Begriff, den man mit „Reihe von Ragas“ übersetzen könnte. Diese Miniaturen von unendlicher Delikatesse geben visuell die traditionellen melodischen Rah- men wieder, die auf den vedischen Klangtheorien begrün- den. So ist jedes Raga eng mit einem Gefühl, einer Jahreszeit und einem Moment des Tages verbunden. Als geschickte Handwerker zeigen und manifestieren die Maler die in der Musik ausgedrückten Emotionen, indem sie sie mit Poesie und Malerei assoziieren, mit einer Komposition, die zum totalen Kunstwerk tendiert, an dem sich die Auftraggeber erfreuten, umgeben von Klängen, raffinierten Düften, ausgewählten Speisen und Getränken, die sie mit der Elite des Hofes teil- ten… Alles in allem eine multisensorielle Erfahrung, die in der Ausstellung reproduziert wird, für die die Musikerin Tara Kini 30 Ragas aufgenommen hat, während Bharti Lalwani und Nicolas Roth spezielle Parfums kreiert haben. 

Aus der breitgefächerten Sammlung des Museums Rietberg, das rund 300 Ragamala-Malereien besitzt, werden vierzig präsentiert. Eine von ihnen zeigt einen Mann, der einen Hahn mit seinem Bogen anvisiert, der in einem Garten Eden singt. Hinter ihm betrachtet eine schmachtende Frau ihren Liebhaber, der das Geflügel mit einem Pfeil durchbohren wird, um, symbolisch, das Morgengrauen aufzuhalten. Denn der Hahn kündigt in der Tat das Ende der sinnlichen Spiele an, deren Liste in einer gelben Legende aufgeführt wird. Etwas höher in den Bäumen sitzen zwei grüne Papageien, die Kāmadeva, die Gottheit der erotischen Liebe verkörpern, während ein weißer Rabe an- deutet, dass diese Verbindung zweifelsohne ein Ehebruch ist… Die Farben sind prächtig, die Details von exquisiter Harmonie – Kuppeln, Blumenbeete, etc. – zwei Charakteristiken, die den gesamten ausgestellten Korpus auszeichnen. Anderswo sieht man eine junge Frau, die eine Vina – eine Langhalslaute – mit einer so zarten Melancholie spielt, dass sie scheue Antilopen und Gazellen sowie einen Pfau anzieht, die sie für einige Augenblicke von der Abwesenheit ihres Geliebten ablenken. Dieser wird bald wiederkommen, denn das weiße Entenpaar, das im Vordergrund gemeinsam auf dem Teich schwimmt, kündigt ein baldiges Wiedersehen an. Man muss den Blick schweifen lassen, in diesen Bildräumen die von Liebe und Schmerz, Spleen und Lust erzählen und vor Details wimmeln, die bedeutungsvoll sind, eine ästhetische Grammatik, deren Entschlüsselung eine intensive Freude bereitet. 

Im Museum Rietberg (Zürich) bis zum 19. Januar 2025 

rietberg.ch 

> Führungen in deutscher Sprache jeden Mittwoch um 18:30 Uhr (außer am 1. Mittwoch des Monats) und jeden Sonntag um 11 Uhr
> Konzerte zur Ausstellung 17.11., 01.12., 12.01. (11 Uhr) 

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