Die Neue Sachlichkeit in der Kunsthalle Mannheim
Hundert Jahre nach der grundlegenden Ausstellung ist Die Neue Sachlichkeit zurück in der Kunsthalle Mannheim, mit einem kolossalen Rundgang für ein aufregendes Eintauchen ins Herz der Weimarer Republik.
Am 14. Juni 1925 eröffnet eine Ausstellung mit dem Titel Die Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus in der Kunsthalle Mannheim: Gustav Friedrich Hartlaub, der damalige Direktor der Institution hat eine Kunstbewegung getauft – die später die Grenzen des Landes überwinden und sich auf Photographie, Kino, Design, etc. ausbreiten wird – welche sich durch ihren Willen charakterisiert, die ungeschminkte Realität darzustellen. Vor ihm hatten andere, mit weniger Erfolg, versucht den Zeitgeist zu definieren, wie Paul Westhei, der einen „neuen Naturalismus“ erwähnte oder Franz Roh, der von „magischem Realismus“ sprach. Bemerkenswert aufgebaut, beinhaltet der thematische Rundgang heute Inseln, auf denen die typischen Figuren der Bewegung gezeigt werden: Max Beckmann, George Grosz – mit dem unglaublichen Portrait des Schriftstellers Max Herrmann-Neiße (1925) – und Otto Dix. Sein Bildnis der Tänzerin Anita Berber (1925) jene über die Klaus Mann sagte: „Sie war sehr mutig und brauchte den Skandal wir ihr tägliches Brot“ – ist eine echte Ikone des 20. Jahrhunderts. Als luxuriöser und skandalöser Vamp wirft sie einen unerschrockenen Blick auf die Welt, eingeschnürt in einem enganliegenden, brennend roten Kleid.
Der Verdienst dieser Ausstellung ist es auch uns weniger bekannte Künstler entdecken zu lassen, darunter einige Frau- en – keine von Ihnen war 1925 präsent. Man denke an Anita Rée mit ihrem Halbakt vor Feigenkaktus (1922-25), der glühen- de Erotik ausstrahlt oder Kate Diehn-Bitt und ihr Selbstbildnis als Malerin (1935), in dem sich die Geschlechter vermischen. Man ist ebenfalls ergriffen von zwei Gemälden von Anton Räderscheidt, Junger Mann mit gelben Handschuhen (1921) und Haus Nr. 9 (1921). Indem sie an eine unwahrscheinliche Begegnung zwischen dem Universum von René Magritte und der pittura metafisica von Giorgio de Chirico erinnern, unterstreichen sie die unüberwindbare Einsamkeit des Menschen in einer großen, entmenschlichten Stadt, ebenso wie das Paar (um 1923) von Gottfried Brockmann. Während einige Künstler ganz klar sensibel für die Linke sind – wie Curt Querner, mit seinem Agitator (1931) der einige Züge von Goebbels annimmt –, kommen andere perfekt mit der Machtergreifung durch die NSDAP aus, die Neue Sachlichkeit ver- wandelt sich in eine Art reaktionäre Neoromantik. Ein extremes Beispiel hierfür ist eine Kahlenberger Bauernfamilie (1939) von Adolf Wissel, ein ideologisches Konzentrat des Dritten Reichs. Man erinnert sich in diesem Kontext daran, dass in der Kunsthalle Mannheim am 4. April 1933 eine Ausstellung mit dem Titel Kulturbolschewistische Bilder eröffnet wurde, in der die acht Jahre zuvor gezeigten Gemälde an den öffentlichen Pranger gestellt wurden.
In der Kunsthalle Mannheim bis zum 9. März
kuma.art
> Parallel entfaltet sich Hart & Direkt (bis 12.01.) mit Zeichnungen und Grafiken von Künstlern der Neuen Sachlichkeit
> Eine Multimedia-Projektion erlaubt es die Werke aus der Ausstellung von 1925 zu entdecken (112 von 132 wurden identifiziert) von denen keine Photographien existieren