Die Fondation Beyeler lädt zur Reise ins Universum von Matisse ein
Die außergewöhnliche Retrospektive Matisse, Einladung zur Reise ist ein Streifzug durch das Werk eines Riesen der modernen Kunst.
Am Eingang der Ausstellung steht das berühmte Ge- dicht von Baudelaire, das ihr ihren Titel verleiht und dessen verschiedene Verse den Rhythmus eines Rund- gangs mit mehr als 70 Werken zu skandieren scheinen, der mit den Jugendwerken von Henri Matisse (1869-1954) beginnt. Man denke an La Desserte (1896-97), eine bizarre Synthese zwischen Impressionismus und dem holländischen Still-Leben des 17. Jahrhunderts, mit seiner Anhäufung von Geschirr und Speisen (es erinnert an Un Dessert von Jan Davidsz de Heem). Etwas weiter entfalten sich seltene Ausflüge des Künstlers in den Pointillismus mit Luxe, calme et volupté (1904), einer idyllischen Szene im Stillstand… die ihn wenig überzeugt. Die Punkte weichen in der Tat schnell den vibrierenden Farbfeldern des Fauvismus, der symbolisch im Jahr 1905 in Collioure geboren wird, wo er den Sommer mit André Derain verbringt: „Während ich vor einer begeisternden Landschaft arbeitete, dachte ich nur daran meine Farben zum Singen zu bringen, ohne alle Verbote zu berücksichtigen“, schreibt der Maler damals. Davon zeugen das unglaubliche Fenêtre ouverte (1905) oder Les Tapis rouges (1906).
Bis zum Ende wird die Farbe die große Angelegenheit von Matisse sein, der pausenlos die Formen vereinfacht und so auf Schatten und Volumen verzichtet: „Ich spüre durch die Farbe, also wird mein Gemälde immer von ihr organisiert sein“, deklariert er. Zu diesem Epos werden wir eingeladen, anhand von selten gesehenen Bildern – die in Privatsammlungen oder Institutionen in Übersee konserviert werden – wie Baigneuses à la tortue (1907-08), archaische Figuren, die an einige afrikanische Abgötter erinnern, mit ihren langgestreckten Silhouetten, die sich durch eine karge Landschaft bewegen oder Poissons rouges et sculptures (1912) und Grand Nu couché (oder Nu rose, 1935), in denen ein starker Lebenselan erstrahlt, eine der berühmtesten Darstellungen seiner Muse Lydia Délectorskaya. Matisse hat die Entstehung dieser Komposition mit 22 Schwarz-Weiß-Photographien dokumentiert, die er zwischen dem 3. Mai und dem 30. Oktober machte, welche den Vereinfachungsprozess der Formen des Werkes zeigen, bis hin zu einer anmutigen geometrischen Radikalität. Von Saal zu Saal entdeckt man einen Künstler, der sich ohne Unterlass neu erfindet und sich immer von den Pigmenten leiten lässt. Der Besucher bleibt sprachlos vor den Scherenschnitten, die es ihm erlauben „in die Farbe zu zeichnen“: Betörend antwortet der Nu bleu aux bas verts (1952), der zu schweben scheint auf die abstrakte Composition à la croix rouge (1947) oder auf die beiden Repräsentanten der Serie der Nus bleus (1952), die sich souverän und frei im Raum entfalten.
In der Fondation Beyeler (Riehen / Basel) bis 26. Januar 2025
fondationbeyeler.ch