Die Cité du vitrail in Troyes und der Kirchenfensterstreit

Mit Notre-Dame de Paris: Der Kirchenfenster-Streit sind Lanzettfenster und Fensterrosen zu entdecken, die in den 1930er Jahren lebhafte Debatten auslösten. 

Kann man Kunst von heute in historische Monumente einfügen? Eine ewige Frage, die vom Streit zwischen den Alten und den Moder- nen zeugt, auf die die Cité du Vitrail zu antworten versucht, indem sie eine wenig bekannte Epoche beleuchtet. Um die Grisaille-Fenster von Viollet-Le-Duc zu ersetzen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Kirchenschiff von Notre-Dame de Paris platziert sind, wurden der Kommission für historische Gebäude Mitte der 1930er Jahre Entwürfe von zwölf Meistern der Glaskunst unterbreitet, die zu den Wichtigsten ihrer Generation gehören. Mehr als drei Jahrzehnte lang verschoben heftige Polemiken zwischen den Verteidigern einer Erneuerung der Sakralkunst und den Anhängern einer starren Tradition das Projekt unentwegt. Schlussendlich wird im Jahr 1965, dank eines Unterstützerschreibens von André Malraux – das hier ausgestellt wird – (endlich) die Arbeit von Jacques Le Chevallier ausgewählt, um im Pariser Monument installiert zu werden. Neben seinen Werken werden hier die Glasfenster von fünf anderen Künstlern gezeigt, die am Projekt teilgenommen hatten: Paul Louzier, André Rinuy, Valentine Reyre, Jean Hébert-Stevens und Pater Marie- Alain Couturier. 

Jacques Le Chevallier, Lancette : saint Marcel, Realisierung für Notre-Dame de Paris um 1937-1959, Troyes, Cité du Vitrail, 2019.V.3.A

In der Kapelle sind riesige und beeindruckende bunte Glasfenster installiert, die von der pharaonischen Arbeit dieser Meister des Glases zeugen. Auf diesen Lanzettfenstern und Fensterrosen, die von kubistischen und fauvistischen Inspirationen geprägt sind, mischen sich Heilige mit rohen Zügen mit abstrakten Formen. Eine der Fassaden der Kapelle zeigt die Heiligen Saints Louis und Yves von André Rinuy, neben der Sainte Foy de Conques von Valentine Reyre: Auf diesen Lanzettfenstern unterteilen die Bleirippen eine Vielzahl von kleinen geometrischen Formen mit einer breiten Farbpalette, die ihnen einen besonderen Stil verleihen. Um die Heftigkeit des Streits zu illustrieren, setzt der Ausstellungsaufbau „einen Akzent auf den Eindruck der fehlenden Harmonie, der von einigen ausging“, beschreibt Julia Boyon, eine der Kuratorinnen der Ausstellung.

Nebeneinander platziert, ist es in der Tat einfach die Unterschiede zwischen den Stilen der einzelnen Künstler festzustellen und so die Leidenschaftlichkeit der Debatten zu ver- stehen. „Wir wollten das Publikum spüren lassen, dass diese Frage sehr wichtig war, denn es war das erste Mal, dass sie so stark gestellt wurde“ fügt die Kuratorin hinzu. Hierzu zeigen Titelbilder von Zeitungen das Ausmaß der Kontroverse, neben Skizzen und Faksimile die den Kreationsprozess detaillieren, Zeugnisse eines großen künstlerischen und historischen Wendepunktes, der dennoch verkannt wird, aber immer noch aktuell ist. Eine ähnliche Polemik taucht auf, während die Arbeiten an der Kathedrale in vollem Gange sind: Emmanuel Macron hat den Wettbewerb wieder auf- leben lassen, der die zeitgenössischen Kirchenfenster determinieren soll, die im Gebäude eingefügt werden, trotz des Widerstandes der Kommission des Kulturerbes.

In der Cité du Vitrail (Troyes) bis 5. Januar 2025 

cite-vitrail.fr 

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