Die 46. Ausgabe des Festivals Perspectives

Sawdust Symphony © Jona Harnischmacher

Mit mehr als vier Jahrzehnten auf dem Zähler, begeistert uns Perspectives, das deutsch-französische Festival der Bühnenkünste immer noch.



Zwischen Frankreich und Deutschland fehlt es nicht an Überraschungen. Das Team des Festivals hat sich zwar grundlegend geändert, aber die Standards des Ereignisses haben sich keinen Millimeter bewegt. Davon zeugt ein schönes Programm 2024, das mit dem maskulinen Trio Armour (18. & 19.05., Sankt-Jakob-Kirche), beginnt, welches die Kriterien der Männlichkeit 2 herausfordert. In einem auf 18 m reduzierten Bühnenraum, mit dem Publikum rundherum, lassen Arno Ferrera und Giles Polet die Schutzkleidung fallen in einer Aufführung, in der die Tragefiguren Zerbrechlichkeit zeigen, die Häute sich berühren und ziehen, sich betasten in mit einer Zärtlichkeit, die an Lust grenzt. Keiner der drei Zirkusartisten nimmt sich ernster als nötig, sie ziehen die Sanftheit und Erotik, die aus der Fassung bringen der Kraftdemonstration und der technischen Exzellenz der Puristen vor. Die Masken werden auch mit Hokuspokus (20.05., Saarländisches Staatstheater) der deutschen Truppe Familie Flöz fallen. Die Geschichte einer Familie mit drei Kindern, in der die Schauspieler mit ergreifenden Masken ausgestattet sind wird uns erzählt… ohne ein einziges Wort. Natürlich wird gesungen, mit Geräuschen und Verzerrung der Realität gespielt, dank live aufgenommener Bilder. Aber die Truppe beherrscht es vor allem der reinen Interpretation Raum zu lassen, ohne Künstliches, selbst wenn sie dabei einige Fabrikations-Geheimnisse preisgeben, die dieser Berliner Bande eigen sind.

Auf dem Tbilisser Platz in Saarbrücken stürzen sich drei besessene Zirkusartisten in eine verrückte Sawdust Symphony (22. & 23.05.). Diese Hommage an das Sägemehl kombi-niert Jonglage (mit Hämmern), Magie Nouvelle (mit widerspenstigen Nägeln), Drechslerbank (für eine wahnsinnige Fräsmaschine und Holzleim). Ein Genuss an Einfallsreichtum bei dem das Bühnenbild und die Objekte lebendig zu werden scheinen… Ebenfalls leicht aber nicht weniger begeisternd ist Stéréo (23 .& 24.05., Le Carreau), in dem Philippe Decouflé an das Herzblut der Live-Musik anknüpft, die ihn seit seiner Jugend begeistert. Die Beatles (Oh Darling oder das total bewusstseinsverändernde Tomorrow Never Knowsund die Beach Boys rivalisieren mit der zu Kopf steigenden Gitarrenrhythmik von Long Slow Goodbye von Queens of the Stone Age. Nichts mehr als das. Live mischen drei Musiker (Gitarre, Bass und Schlagzeug) ihre Kompositionen mit jenen von Musikgrößen. „Stéréo ist das Ergebnis einer Lust auf Geschwin- digkeit, auf Brillanz, Virtuosität, Energie und Rock’n’Roll.“ Der Choreograph skizzierte einen höchst organischen Tanz, in dem das reine Emporschlagen sich in virtuose, akrobatische Sprünge verwandelt. Vor allem so wenig illustrierend wie möglich: Es kommt nicht infrage, dass der Tanz das Konzert begleitet, noch dass das Konzert den Tanz untermalt. Zwitterhaftigkeit ist geboten, das innere Pulsieren, jenes, das die Wesen bewegt, tut ihr übriges. Weit davon entfernt eine kreative Atemnot zu erfahren, bringt Decouflé die Stéréo-Typen durcheinander, spielt mit der Liebe und ihre Spannungen, um besser von uns zu sprechen.


Im Carreau (Forbach), in der Scène de l’Hôtel de Ville (Sarreguemines), im Theater am Ring (Saarlouis) und an verschiedenen Orten in Saarbrücken (Alte Feuerwache, Saarländisches Staatstheater…) vom 16. bis 25. Mai
festival-perspectives.de

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