Das ZKM Karlsruhe hebt seine Black Flags hoch

Santiago Sierra © ZKM, Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Photo : Felix Grünschloß

In Black Flags bedienen sich drei zeitgenössische Künstler eines identischen Motivs um Anliegen auszudrücken, bei denen Ästhetik auf Politik trifft.

Black Flags geht von der gleichnamigen Installation von William Forsythe aus. Sie wurde 2014 kreiert und präsentiert zwei riesige schwarze Flaggen von neun auf fünf Metern, die an starken artikulierten Armen installiert sind „Kuka-Roboter“, wie es Margit Rosen präzisiert, die die Ausstellung mit Philipp Ziegler kuratiert hat. Und sie setzt fort: „Sie erinnern an die industrielle Vergangenheit des Gebäudes, das eine Munitionsfabrik war.“ Der berühmte amerikanische Choreograph bricht zwar gerne die Regeln – wovon seine Neudefinition der Ballett-Praxis in einem Prozess der Dekonstruktion zeugt –, betrachtet sich aber nicht als einen Revolutionär. Nichtsdestotrotz bedient er sich hier seiner Kreation, perfekt und unbegrenzt tanzend, um die Risiken zu kritisieren, die der Automatisierung der Arbeit innewohnen. Zarte und flüssige Bewegungen zu generieren war außerdem eine große Herausforderung. „Wir hatten kein Modell, auf das wir uns stützen konnten“, erinnert Margit Rosen. „Wie kann man es einer Maschine erlauben, Zärtlichkeit auszudrücken? Darin liegt die ganze Herausforderung.“ Die beiden Werkzeuge wechseln so langsame und elegante Höhenflüge ab, total symmetrisch oder im Gegenteil. Ein bedeutungsvolles Spektakel, dessen Behutsamkeit überrascht.

Nicht weit entfernt ist Santiago Sierra derjenige, der definitiv die Schwelle zum Protest überschreitet. Mit Black Flag (2015), taucht uns der spanische Photograph und Videokünstler in sein eisiges Universum. Zufällige Aufnahmen von Flugzeugmotoren, Schritte im Schnee oder das Rauschen des Windes tauchen aus den Lautsprechern auf und kreieren mit seinen 42 Aufnahmen eine immersive Umgebung. Zwei riesige Bilder stehen sich gegenüber. Sie sind in Richtung der zwei Pole aufgebaut und zeigen eine Flagge, die in den Polarkreisen steckt. „Sierra lehnt die zunehmende Inanspruchnahme der Staaten gegenüber diesen Gebieten und ihrer Ressourcen ab, die theoretisch niemandem gehören“, unterstreicht die Kuratorin. „Für ihn handelt es sich um ein Gemeingut, für das die Verantwortung eine geteilte ist.“ Der Einfluss des Kollektivs ist besonders deutlich bei Ombre indigène, Part 2, Martinique (2014) von Edith Dekyndt. Auf einem Video sieht man in Endlosschleife das Bild einer Flagge, die aus schwarzem Haar gemacht ist und auf der südwestlichen Seite der Insel steckt. Sie ist nicht nur in der Nähe des Grabes von Édouard Glissant situiert, dem Philosophen und Dichter, der die Kreolisierung theoretisiert hat, sondern hat auch als Zugpferd bei den Demonstrationen gegen das iranische Regime im Jahr 2002 fungiert, als die Studentin Mahsa Amani getötet wurde, weil sie sich weigerte, ein Kopftuch zu tragen. Wenn die Kunst zum starken Symbol wird…


Im ZKM (Karlsruhe) bis 6. Oktober

zkm.de

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