Criminal Women im Museum LA8 in Baden-Baden
Vom 19. Jahrhundert bis zum Dritten Reich untersucht Criminal Women ein selten erkundetes Thema in einem ästhetisch gelungenen und intellektuell anregenden Rundgang.
Triumphierend hält Judith den Kopf von Holofernes in einer Hand, während die andere den Säbel erhebt, der in abschlug: Dieses Gemälde von 1844 von Theodor Hildebrandt, das symbolisch die Ausstellung eröffnet, steht einem Zweiten von Giovanni Francesco Barbieri (um 1651) gegenüber. Eine Variation zum selben Thema, die viel düsterer ist. Dieses Ölgemälde à la Caravaggio suggeriert eine andere Vision der Geschichte und illustriert die Zweideutigkeit der weiblichen Kriminalität, die sich im Laufe des Rundgangs entfaltet. Zur Einleitung werden weitere berühmte Mörderinnen präsentiert, wie Charlotte Corday, die behauptete, dass sie Marat aus Patriotismus getötet habe (eine wunderschöne Gravur von Niccolò Schiavonetti illustriert die Szene), aber auch die beunruhigende Elisabeth Wiese, eine Serienkillerin vom Ende der 1900er Jahre, eine Amme, die die kleinen Kinder ermordete, die ihr an vertraut wurden. Anthropometrie-Photographien und andere Aufnahmen von „russischen Prostituierten“, die den Platz der Physiognomie im 19. Jahrhundert hervorheben – eine pseudo-wissenschaftliche Methode, die behauptete, dass es möglich sei, von den Gesichtszügen einer Person aus Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit zu ziehen – und dazu einladen die Einstufung als Kriminelle zu hinterfragen, genauso wie deren Darstellung, in einer Epoche, die vom allmächtigen Patriachat dominiert wurde. Es wird ebenfalls eine Rühmkorff- Spule gezeigt – die Spannungen von bis zu 10 000 Volt erzeugen kann – die daran erinnert, dass der vorherrschende Diskurs der Kriminalwissenschaft vorgab, dass „schlechte Frauen“ eine geringere Schmerzempfindlichkeit hätten, was sie grausamer mache als Männer… eine Theorie, die anhand von Elektroschocks getestet wurde.
Ein zweiter Teil detailliert das Auftauchen eines spezifischen weiblichen Typs in der Kunst, den „Engelsmacherinnen“ – so wird eine Reihe von gynäkologischen Instrumenten präsentiert, die das Blut in den Adern erstarren lässt – oder Prostituierten mit einer wunderbaren expressionistischen Komposition von Hans Grundig, Dirne im Hauseingang (1923), die an die besten Werke von George Grosz erinnert. Aufgrund des Paragraphen 218 des deutschen Strafgesetzbuches – der nicht aufgehoben wurde aber in Vergessenheit geriet – welcher festlegt, dass Abtreibung eine Straftat ist, sind viele Frauen zu Kriminellen geworden. Ein Gemälde, das Alice Nex-Nerlinger im Jahr 1931 malte, ist eine schöne Allegorie des weiblichen Kampfs gegen dieses Gesetz, ebenso wie eine Komposition von Richard Ziegler. Und schließlich betrifft der erschreckendste Teil der Ausstellung den Nationalsozialismus, unter welchem Künstler schnell als Asoziale eingestuft wurden und wiederum interniert wurden. Man betrachtet fasziniert die Zeichnungen von Eva Schule-Knabe, die ihre Mitgefangenen skizziert, ebenso wie die schrecklichen Kompositionen, die Nina Jirsíková in Ravensbrück erschuf.
Im Museum LA8 (Baden-Baden) bis zum 29. Februar 2024
museum.la8.de