Camille Mutel tanzt Pourtant chacun tue ce qu’il aime
In Pourtant chacun tue ce qu’il aime erkundet die Choreographin Camille Mutel den Platz der Nahrung in unserer Beziehung zum Anderen und zum Lebenden.
In einer Kontinuität mit Not I, das Sie als Solo tanzten haben Sie sich den zweiten Teil mit zwei Tänzern aus einer Serie von vier Aufführungen ausgedacht…
Dieser Vierteiler mit dem Titel „Der Platz des Anderen“ entsprach von Anfang an der Lust darauf, ein Stück einer Jahreszeit zuzuordnen: Der Winter für Not I und, rückwärts, der Herbst für „Dennoch tötet jeder das, was er mag“. Ich war nach Japan gereist, für eine Künstlerresidenz in der Villa Kujoyama in Kyoto, um zur Teezeremonie zu arbeiten, mit der Idee wie man jemandem etwas schenken könne. Ich verschob die Dinge in den Westen, indem ich ein Glas Wein servierte, aber vor allem gemeinsame Zeit, ausgedehnte Bewegungen. In dieser neuen Kreation gehe ich ebenfalls von den Gesten aus, jenen zu töten, um sich zu ernähren und stelle den Platz des Gerichts und des Lebenden in Frage, das man einnimmt. Wir haben Bauern in verschiedenen Regionen getroffen, um zu sehen, wie sie ihre Lebensmittel-Autonomie gestalten, welche Beziehung sie zu ihren Tieren aufbauen, von der Geburt bis zum Tod, mit viel Sorgfalt.
Diese Geste des ruralen Kulturerbes, die zu Verschwinden droht, ist jene eines Jägers, Fischers, Sammlers…
Dieses immaterielle Kulturerbe der Menschheit verschwindet nach und nach, einerseits weil die Gesetze die Tatsache auf Bauernhöfen zu töten immer mehr einschränken, aber auch weil die Weitergabe von Eltern an Kinder abnimmt. Ich habe immer auf dem Land gelebt mit der Intuition, dass der gute Menschenverstand des Bauern dem Ritus nahesteht: Man ermordet die Tiere nicht, es gibt ritualisierte Beziehungen zur Opfergabe, die daraus keine harmlose oder banale Geste machen. Als wir sie aus der Nähe beobachteten und sie befragten, haben wir auch ihren Respekt und ihr Bewusstsein für den Tod entdeckt, nah dran an einer Beziehung auf Augenhöhe mit dem Tier.
Sie haben den Butoh praktiziert und sind eine Anhängerin des Minimalismus und der Langsamkeit auf der Suche nach der Qualität des gegenwärtigen Moments. Wie arbeiten sie dieses Mal, ohne auf der Bühne zu sein?
Wir sind im Konkreten der beobachteten Szenen. Mehr als von Minimalismus würde ich von einer Nüchternheit der Bewegungen sprechen: Was brauchen wir, um mit dem Blasrohr zu jagen, um einen Granatapfel zu ernten. Wir suchen ein Bewusstsein des Selbst und der richtigen Geste, um ihr den größtmöglichen Platz einzuräumen, sie zu strecken um in eine poetische Welt zu gleiten. So ernten wir Hörner und schießen auf Granatäpfel… Ich habe den Eindruck noch radikaler zu sein als bei Not I. Wie in Le Cheval de Turin von Béla Tarr, die sich lange an einem Essen am Tisch mit Kartoffeln aufhält, mag ich es, mich mit Dingen aufzuhalten, mir Zeit zu nehmen. Die Einfachheit ist schwer zu erreichen.
Und was ist mit der Musik?
Während das Stück von Fragmenten eingenommen wird, wie ein Still-Leben – Ziegenhaut, Hörner, Schädel, Milch, Glocke… – haben wir den Klang ausgehend vom Atem alter Holzorgeln erarbeitet. Sie zeichnen Äste im Raum.
Im Carreau (Forbach) den 5. April und im Centre culturel André Malraux (Vandoeuvre-lès-Nancy) am Mittwoch den 15. und Donnerstag den 16. November
carreau-forbach.com – centremalraux.com