Baden-Baden: Der König ist tot, lang lebe die Königin
Im Museum Frieder Burda ist Der König ist tot, lang lebe die Königin eine mehrstimmige Variation zur zeitgenössischen weiblichen Kreation.
Eine riesige Skulptur von Leiko Ikemura empfängt den Besucher vor dem Museum: Mit dieser beschützenden Kreatur, Usagi Greeting (2021), die gleichzeitig ein weibliches Kaninchen und Mensch ist, einer Antwort auf die Katastrophe von Fukushima. Dieses Bild der Weiblichkeit gibt den Ton einer Ausstellung an, die wie ein zeitgenössisches Echo auf jene gedacht ist, die 1943 von Peggy Guggenheim in ihrer New Yorker Galerie organisiert wurde. Die avantgardistische Exhibition by 31 Women, die weiblichen Positionen vereinte, wurde von der Kritik geschmäht, welche vor Frauenfeindlichkeit triefte. Achtzig Jahre später sind diese reaktionären Reaktionen nicht mehr an der Tagesordnung, so dass sich ein sehr intensiver Rundgang in friedlicher Weise entfalten kann, der vom künstlerischen Direktor der Institution, Udo Kittelmann, entworfen wurde. Als Zeugen der Metamorphosen unserer Gesellschaften sind hier 31 Frauen versammelt, mit O.T. (Superman) als Galionsfigur, einer Textilskulptur von Patricia Waller aus dem Jahr 2011. Der Held ist an der Wand zerschellt. Blut fließt. Die Chilenin spielt hier auf ironische Weise mit dem stereotypen Bild der Männlichkeit. In den Photographien der Arbeiterinnen der VEB1 Treffmodelle in Berlin aus den Achtzigern greift Helga Paris ein weiteres Klischee an, schlägt sich mit der Vision der DDR herum, die vom Westen nach dem Mauerfall durchgesetzt wurde. Da sie nichtsdestotrotz die idealisierende Propaganda ablehnt, zeichnet sie ein humanistisches und sensibles Portrait dieser Arbeiterinnen, die wie beim neueren Beyond the Wall2, das Bild eines Landes hinterfragen, das von der Karte verschwunden ist.
Ebenso politisch ist ein Werk aus der Serie The Liberation of Animals from their Cage (2016). Indem sie mit einem Stahlgitter spielt, hat Lin May Saeed einen vermummten eco-warrior geschaffen, der die Ketten eines gefangenen Elefanten in einem Zoo durchtrennt. Um eine andere Befreiung geht es in Wohnzimmer III (1968): In diesem Triptychon von Almut Heise entdeckt man einen typischen Salon der BRD der Sechziger. Teppiche mit abstrakten Linien, Fernseher auf einem Möbelstück mit Rollen, Blick auf ein modern-deprimierendes Gebäude und eine Frau, die zur Pflanze wird und Zimmerpflanzen in Stilettos gießt. So sind wir mitten im middle-class blues. Lustig, heftig, transgressiv… Die präsentierten Werke bilden eine begeisternde Auswahl, bei der The Needle and the Larynx (2016) sicherlich den Höhepunkt darstellt. In diesem Video von rund 15 Minuten lässt sich Marianna Simnett Botox in den Kehlkopf injizieren, um eine tiefere Stimme zu bekommen. Eine Tonspur mischt die Wünsche einer Frau, Violoncello – das Instrument, das der menschlichen Stimme am nächsten kommt – und melancholischen Pop. Das Ensemble lässt erstarren, bildet eine durchschlagende Kritik des Strebens nach ästhetischer Perfektion, die einige dazu führt mit ihrem Körper Blödsinn zu machen.
Im Museum Frieder Burda (Baden-Baden) bis 8. Oktober
museum-frieder-burda.de
1 Volkseigener Betrieb
2 Buch von Katja Hoyer, Historikerin am King’s College in London, die eine neue
Geschichte der DDR präsentiert (Diesseits der Mauer, erschienen im Mai 2023, Hoffmann
und Campe Verlag). Es hat vor Kurzem eine große Kontroverse ausgelöst.