Aurélien Bory taucht uns ein in die Schwärze von invisibili
Anhand eines anonymen Freskos aus Palermo, das in Lebensgröße gezeigt wird, taucht uns Aurélien Bory in invisibili, ein, in dem Gesang, Musik, Tanz, Schwarzer Tod und zeitgenössisches Unglück aufeinandertreffen.
Pamela Villoresi, Direktorin des Teatro Biondo, in Palermo, hat Sie dazu eingeladen mit den Einwohnern zusammenzuarbeiten. Diese Stadt hat Sie sehr inspiriert, da Sie eine Reproduktion von Triumph des Todes benutzen, eines Freskos, das in den 1440er Jahren realisiert wurde, selbst wenn es nicht ihre erste Wahl war… Antonello da Messina, den ich sehr schätze, hat ein Gemälde für Palermo gemalt: [Maria der Verkündigung]. Ich habe mir gesagt: Warum arbeite ich nicht rund um das Gemälde und Antonello? Als ich mir sein Werk ansah, stieß ich auf den Triumph des Todes in der Galerie Abatellis. Es ist eine riesige Wandmalerei von sechs auf zehn Metern. Ich habe darin sofort etwas Theatralisches, Tänzerisches gesehen.
Es besteht aus Sayneten, die zum Beispiel den skelettartigen Tod auf einem abgemagerten Pferd zeigen und präsentiert Personen, die im Begriff sind zu sterben. Wie fügt es sich in die Aufführung ein?
Dieses Fresko dekorierte ursprünglich die Empfangshalle eines Krankenhau- ses für die Armen im 15. Jahrhundert, als die Pest umging. Ich habe sie auf einem Stoff reproduziert, ein bisschen nach der Art der Bühnenvorhänge. Die Idee bestand darin, ihn in einen Protagonisten zu verwandeln. Alle Interpreten treten durch ihn ein und aus, wie in der griechischen Skene [eine rechteckige Struktur im hinteren Teil der Theaterbühne, Anm.d.Red.]. Sie ist auch, auf eine gewisse Weise, lebendig. Ich woll- te, dass sie lebendig wird, man muss sie anfassen und hören können. In einer Arbeit der Nachahmung verwandeln die vier Tänzer einige Szenen in Bewegung, insbesondere jene der drei Parzen, in einer Ecke, oder jene einer jungen Frau und eines jungen Mannes im Angesicht des Todes. Nichts weist darauf hin, woran sie leiden. Ich musste also für sie eine Geschichte erfinden.
In ihrer aktualisierten Version hat die junge Frau Brustkrebs.
Ich habe versucht eine Entsprechung zur Pest zu finden, einer Krankheit, die in dieser Epoche weitverbreitet war und dachte an den Krebs. Der Mann seinerseits erinnert mich an die Überfahrten der Migranten. Es ist auch die Geschichte des Schauspielers und Sängers Chris Obehi und deswegen nutzen wir ein Schlauchboot als Metapher sei- nes Schicksals. Im weiteren Sinne wird der Tod wie eine Reise betrachtet, was zum Mythos von Orpheus und Eurydike passt. Man findet die selbe Struktur wieder: Ein Mann der eine Frau abholt. Es war ein Unfall, aber ich hatte Lust, mich diesen Erzählungen anzuschließen, die den Mittelmeerraum prägen.
Auf der Seite der Musik mischen Sie Neukreationen und Reinterpretationen von Klassikern.
Im Fresko findet man einen Spieler von Laute und Leier: Die Musik musste auf der Bühne präsent sein. Als ich den Saxophonisten Gianni Gebbia traf, sagte ich mir, dass es ein Blasinstrument sein musste, denn der Tod ist der letzte Atemzug des Lebens. Ich brauchte eine Musik, die der Vergangenheit angehört, aber die noch sehr lebendig ist und Bach hat sich aufgedrängt. Und außerdem, Bach mit dem Saxophon, das hatte ich noch nie gehört!
Im Grand Théâtre de Luxembourg am Mittwoch den 2. und 3. April und beim Internationalen Figuren Theater Festival (Erlangen) am Samstag den 31. Mai und Sonntag den 1. Juni
theatres.lu – figurentheaterfestival.de