Alles ist wahr: Boaz von Romain Kronenberg in der Kunsthalle de Mulhouse
In der Kunsthalle de Mulhouse verwischt Romain Kronenberg die Grenzen zwischen Realität und Fiktion mit Boaz, einer Ausstellung in Form eines Spiels mit der Erzählung.
Zuerst ist da Boas. Und dann Maleachi, Debora und Amos. Vier Figuren, die Sonne der Insel Procida, ein Parfum von Mystizismus hängt in der Luft, die unendliche Zärtlichkeit der kindlichen Liebe, das symbiotische Verlangen, die verschwiegenen Worte, die unterbrochenen Gesten… und die Aufruhr der Sonderbarkeit, die nach und nach aus der Erzählung hervorquillt. Romain Kronenberg der an der Fakultät für protestantische Theologie in Genf war, bevor er elektro-akustische Kompositionen studierte, entwickelt seit mehreren Jahren Projekte an der Grenze zwischen Schrift, Skulptur und Photographie, die seltsamen Fiktionen Leben verleihen, welche von der Frage der göttlichen Transzendenz durchdrungen sind. Seine Figuren navigieren zwischen Realität und Vorstellungswelt, Romanen, Filmen, Briefen oder Objekten, die ihnen gehörten und zum Rang von Reliquien erhoben werden. Wenn der Künstler von ihnen spricht, ist es so als existierten sie. In echt! Diese gespenstischen Präsenzen suchen ihn heim und begleiten ihn jahrelang.
Mit ihnen hat er die Gruppe „soma anders“ gegründet. Seine Werke sind in der Tat ebenso die seinen wie die ihrigen. So werden in der Kunsthalle Strohpuppen präsentiert, die von Malachie im Laufe des Buchs hergestellt werden, die Diapositive der Familie, die von Amos aufgenommen wurden, die von Boas gedrehten Videos, mit der kleinen Kamera, die er zu seinem sechsten Geburtstag von seinen Eltern geschenkt bekam oder auch der Anhänger, den Letzterer immer um den Hals trug – ebenso wertvoll wie das Heilige Grabtuch mit dem großen weißen „Monolithen“, der ihm als Reliquienschrein dient. In einem Raum, der an eine Beton-Kathedrale erinnert, bemerkt der Besucher zunächst die herrschende Stille, die alle Viertelstunde von Auszügen des Verhörs unterbrochen wird, das Debora führt. Als einzige Überlebende des Dramas wird die junge Frau von den religiösen Autoritäten dazu aufgefordert, wieder und wieder, den Ablauf der Geschehnisse zu erzählen, die zum Tod der „Legende“ (Boas) und seines frömmsten Jüngers (Maleachi) führten. Romain Kronenberg ist nicht der erste Schriftsteller, der bestätigt, dass seine Texten ein Eigenleben führen – und ihren eigenen Willen haben –, und sich damit notwendigerweise ihrem Erschaffer entziehen. Aber er ist der Einzige, der ihre besondere Existenz-Form in den physischen, greifbaren Raum übersetzt, der das Substrat unserer hochheiligen „Realität“ ausmacht. „Das was sie sagen und tun ist für mich genauso reell wie das was ich im Fernsehen sehe oder in den Zeitungen lese“, unterstreicht er. „Sie sind Präsenzen, personifizierte Seelen, die ein Leben leben, das so echt ist wie meines.“
In der Kunsthalle (Mulhouse) bis zum 30. April
kunsthallemulhouse.com
soma-anders.com