Qalqalah in der Kunsthalle Mulhouse oder die Hybridität der Sprache
Mit Qalqalah , macht die Kunsthalle Mulhouse die Hybridität der Sprache und die Mehrdeutigkeit der Wesen hör-und sichtbar.
Enta Omri. „Du bist mein Leben“, in Deutsch. Zum Klang des berauschenden Welthits von Oum Khaltoum, der von der libanesischen Künstlerin Mounira Al Solh in Form von Gemurmel aufgenommen wurde, tritt der Besucher in die Ausstellung ein. In verschiedenen Dialekten interpretiert und mit französischen oder englischen Worten gespickt, verbreitet das Klangstück diese oft vergessene Wahrheit: Eine Sprache ist untrennbar verbunden mit den Körpern, die sie bewohnen, die sie sprechen und hören, lesen und schreiben, sie singen und herunterleiern, sie übersetzen und verändern. Sie ist nie ein starres Gebilde, das den einen eher gehört als den anderen. Französisch, Arabisch, Englisch, Deutsch… Die Werke der rund fünfzehn gezeigten Künstler sind ein Echo auf die sich bewegenden und hybriden Sprachen, die im Laufe von persönlichen oder kollektiven Geschichten, politischen Ereignissen oder Dominationsbeziehungen erlernt und weiterentwickelt wurden. Mit der ambitiösen Installation Conflicted Phonemes, erinnert Lawrence Abu Hamdan an den Fall der somalischen Asylsuchenden deren Stimmen und Akzente mithilfe von Telefon-Aufnahmen von den deutschen, belgischen oder niederländischen Autoritäten analysiert wurden, um festzustellen, ob sie auch wirklich aus einer Risikozone stammen. Ein Dispositiv, das die fundamentale Plastizität der Sprache ignoriert, ihre Entwicklung im Laufe der Generationen und der Bewegung der Bevölkerung. Mithilfe von Sprachwissenschaftlern hat der britisch-jordanische Bildhauer Karten gebaut, die zeigen, dass die Veränderung der Sprache und der Betonung der Somalier eine direkte Folge historischer Ereignisse in der Region, zwischen bewaffneten Konflikten, Zwangserziehung und Hungersnöten ist. Die Darstellung in Form von Organigrammen erlaubt es, mit einer seltenen Intensität die Dichte der menschlichen Interaktionen wahrzunehmen, sowie die radikale Unmöglichkeit, eine Stimme auf ein Gebiet oder eine Nationalität zu reduzieren.
Die Entwicklung eines Idioms in konstanter (De)formation / (Re)konstruktion steht auch im Zentrum der Arbeit der Französisch-Marokkanerin Sara Ouhaddou, die in einer berberisch sprechenden Familie aufwuchs und deren Skulptur Atlas (2) – Brun durch Stapel aus Marmorblöcken die einzelnen Schichten einer Sprache abbildet, die lange mündlich überliefert wurde (tamazight) und der der marokkanische Staat erst 2011 ein eigenes Alphabet zugestand. Von Second tongues der chinesisch-kanadischen Serena Lee bis Man schenkt keinen Hund von Christine Lemke und Achim Lengerer, über das Karaoke des Kollektivs Fehras Publishing Practices oder das Video Retour à Genoa City des Franzosen Benoît Grimalt wird der Besucher ohne Unterlass auf die ungeahnte Pluralität der Sprachen zurückgeworfen, die ihn formen und durchqueren.
In der Kunsthalle (Mulhouse), bis zum 22. Mai
kunsthallemulhouse.com