Afrikart
In ihrem Inneren empfängt die Völklinger Hütte, das weitverzweigte Stahlmonster, Afrika, im Blick der Fotografen. Eine Brücke zwischen dem Industriekulturerbe des 19. Jahrhunderts, Tradition und zeitgenössischer Emanzipation.
Die 1873 aus dem Boden gestampfte Silhouette schmückt immer noch die Landschaft. Die kleine Stadt Völklingen, wenige Kilometer von Forbach und Saarbrücken entfernt, hat lange in ihrem Rhythmus gelebt, zum betäubenden Lärm dieses Metalldampfers, der in der Ebene gestrandet ist. Mit ihren sechs Hochöfen, die von der Gichtbühne in 45 Metern Höhe verbunden werden, fasziniert die saarländische Stahlhütte nach wie vor. Wie eingeschlafen symbolisiert jene, die das wirtschaftliche Zentrum der gesamten Grenzregion war, ebenso die aufflammende industrielle Entwicklung Ende des 19. Jahrhunderts, wie eine aufrei- bende Arbeit, die die Menschen zermalmte. Mehr als 600 000 m2 Beton und Rohrleitungen werden instand gehalten und stehen auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco. Gleichzeitig ein Zeugnis des Genies und der Unvernunft des Menschen, überwältigt sie den Besucher, der in diese Mauern eindringt, in denen rund 17 000 deutsche Arbeiter, aber auch Franzosen aus dem angrenzenden Lothringen vor der Schließung im Jahr 1986 arbeiteten. Mehr als ein Museum zeugt die Stätte vom Alltag der Blaumänner, zwischen Rauch und Hämmern von Rohstoffen um in der wahnsinnigen Hitze der Gießerei zu arbeiten. Da das Flaggschiff der Eisen-und Stahlindustrie seinen Betrieb eingestellt hat, dient die Möllerhalle, der Bauch des Ortes, in dem die Rohstoffe gelagert und transportiert wurden, heute als Ausstellungsraum für Künstler von internationalem Ruf und junge Talente, insbesondere während der UrbanArt Biennale*. Shepard Fairey, Liu Bolin, Banksy, Cope2, JonOne, Levalet oder auch Vhils haben hier Werke ausgestellt, manchmal in situ, wovon von einer zur anderen Ausgabe Spuren bleiben. Um diese zu entdecken, sollte man es nicht verpassen den gesamten Industrie- komplex zu durchstreifen, bis ins „Paradies“, das i-Tüpfelchen des Ortes, an dem die Natur ihr Recht total eingefordert hat. Ein Name voller Ironie für die ehemalige Kokerei (Verarbeitung und Anreicherung der Steinkohle): Die beschwerlichste Arbeitsumgebung, eine wahre Hölle zwischen Hitze, Staub und Feuer.
In diesem Jahr erzählen neun afrikanische Fotografen inmitten der Stahlbetonwände von ihrem Kontinent mit Bildern in sehr großen Formaten. Fabrice Monteiro liefert apokalyptische Visionen von Mutanten-Figuren in Abfallkostümen inmitten einer Müllkippe unter freiem Himmel oder von mit Erdöl bedeckten Meerjungfrauen, die aus den Fluten steigen, welche von einem in der Ferne gekenterten Tanker beschmutzt wurden. Der Marokkaner Yoriyas ersetzt den filmischen Mythos seiner Heimatstadt Casablanca durch Photographien, die ebenso beißend sind wie ein Martin Parr, wenn Kibuuka Mukisa Oscar Breakdancer aus Uganda portraitiert, inmitten von Märkten und Bahngleisen, ein Beweis für die Vitalität der Kunst, die sich in alle menschlichen Aktivitäten einschleicht.
* Siehe unsere verschiedenen Artikel in Poly Nr. 222, Nr. 217 & Nr. 197 oder auf poly.fr
Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte (Völklingen)
voelklinger-huette.org
Afrika – Im Blick der Fotografen, bis zum 1. November und in 3D zu Besichtigen unter voelklinger-huette-afrika.org