Julien Chavez inszeniert Eugène Onéguine von Tschaikowsky in Nancy. Gespräch
Der Intendant des Theaters Magdeburg, Julien Chavaz, inszeniert Eugène Onéguine von Tschaikowsky in Nancy. Gespräch rund um ein Werk, das von der „poetischen Kraft der Einsamkeit“ geprägt ist.
Warum wollten Sie Eugen Onegin inszenieren?
Für mich ist es ein Werk, das sehr stark aussagt – sehr viel stärker als viele andere jedenfalls – wie die Oper außerordentliche Dinge ausdrücken kann. In der Szene des Briefes, zum Beispiel, in der Tatjana alleine ist und an Onegin schreibt um ihm ihre Liebe zu gestehen, bevor sie alles zerreißt, setzt Tschaikowsky die Musik auf extrem poetische Weise ein. Er nutzt das Orchester um all das zu unterstreichen, was Tatjana, die noch eine sehr junge Frau ist, nicht mit Worten zu kommunizieren weiß. Es handelt sich um einen der stärksten Momente der Geschichte der Oper, da jeder Zuschauer spürt, dass das was passiert weit über das hinausgeht, was gesungen wird: Die Noten vermitteln die inneren Kräfte, die diese Frau auf überwältigende Weise umtreiben.
Die ganze Oper ist überwältigend…
Sie ist von einer großen Unschuld durchzogen: Die Helden sind ein bisschen verloren in ihrer Naivität. Sie haben sich nicht wirklich im Leben bewiesen und sehen sich, erstmals, mit sehr starken Gefühlen konfrontiert, die ihnen über den Kopf wachsen und die sie nicht verstehen. Das ist das was überwältigend ist.
Was ist die große Stärke von Eugen Onegin?
Es handelt sich nicht um eine Oper, in der man alles erklärt. Wenn Sie ein Meisterwerk wie La Bohème sehen, wissen Sie am Ende der Vorstellung haargenau was Sie gesehen haben und warum es Ihnen gefallen hat… Wenn man aus Onegin herauskommt, bleiben Fragen offen: Bezüglich der Entschei- dungen die jeder der Protagonisten getroffen hat und ihrer Schicksale. Was wäre passiert, wenn…? Hätte es anders sein können, wenn…? Diese Auslassungspunkte wecken echte Leidenschaften in uns. Tschaikowsky öffnet mehr Türen als er schließt.
Sie haben der Oper eine stumme Figur hinzugefügt: Was bedeutet sie?
Eugen Onegin erkundet die poetische Stärke der Einsamkeit – die Szene des Briefes, die wir erwähnt haben, ist ein schönes Beispiel dafür. Ich habe in der Tat eine mysteriöse Figur hinzu- gefügt, wie eine Art Weißclown, der ein Gärtner ist. Er streift durch dieses Universum wie ein kleiner metaphorischer Engel, den keiner sieht, der aber immer da ist um zuzuhören, wie eine Wächterin an der Seite von Tatjana und den anderen.
In welchem Universum haben Sie das Werk installiert?
Ich habe es im zeitlosen und poetischen Raum des Traums situiert, in dem die Dinge wiedererkennbar sind, sich aber auf eine andere Art und Weise arrangieren und kombinieren als im echten Leben.
In der Opéra national de Lorraine (Nancy) vom 28. Februar bis 6. März
opera-national-lorraine.fr