Heilende Kunst ist in Baden-Baden zu entdecken
Die Ausstellung Heilende Kunst in Baden-Baden bereist Wege zu einem besseren Leben, erkundet die therapeutischen Möglichkeiten der Malerei, der Zeichnung, etc. seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Ein symbolistisches Gemälde von Karl Wilhelm Diefenbach zeigt einen Steinbock, der von einem Jäger verfolgt wird. Die Angst ist ihm anzusehen, denn ein bärtiger Mann, eine vergöttlichte Darstellung des Künstlers, dessen Gesicht in den Himmel übergeht, stellt sich zwischen die Lanze und die unschuldige Beute. Du sollst nicht töten (1906) illustriert die Ideale eines Malers, der davon überzeugt war, dass die Versöhnung mit der Natur zur Erlösung der Menschheit bei- trägt. Er ist repräsentativ für die Bewegung Lebensreform, die in Deutschland als Reaktion auf den technischen Fortschritt und seine Auswüchse wie die Umweltverschmutzung und die Entmenschlichung entsteht: Sie predigt insbesondere eine Wiederaneignung des Körpers durch die Freikörperkultur oder den Vegetarismus. Autarke Gemeinschaften installieren sich auf dem Land, Phalansterien, die dazu bestimmt waren, diesen Glauben für eine Heilung der Seelen und der Körper in die Praxis umzusetzen: In diesem Kontext entstehen die Grötzinger Malerkolonie, in der Nähe von Karlsruhe, deren Mitglieder vom Landleben fasziniert sind, oder das Sanatorium am Monte Verità in Ascona. Der Naturheilkunde gewidmet, wird es zum Treffpunkt, dessen Aura legendär bleibt, für das künstlerische und literarische Milieu (Paul Klee, Henry Van de Velde, Isadora Duncan, Hermann Hesse, etc.), wovon zahlreiche Aufnahmen zeugen.
Nach einem erhellenden Bereich, der Rudolf Steiner gewidmet ist – insbesondere mit Modellen des Goetheanums – interessiert sich die Ausstellung für Joseph Beuys, der sich von der Anthroposophie inspirieren ließ (zwei Wandgemälde von 1985 beweisen dies) und für den die Kunst ein Wundertäter war, er selbst konnte als ein Heiler der vom Krieg traumatisierten deutschen Gesellschaft betrachtet werden. In I Like America and America Likes Me (1974), einer Performance, die in der Galerie René Block in New York realisiert wurde, lebt der Künstler drei Tage lang mit einem Kojoten zusammen. Symbolisch ist es sein Wunsch die westliche Gesellschaft mit einem Tier zu versöhnen, das für einige Indianer-Völker heilig ist, wobei der die USA dazu einlädt sich mit dem Massaker der Eingeborenen zu konfrontieren… was darauf hinausläuft ein Land zu „heilen“, indem man es mit seiner dunkelsten Vergangenheit konfrontiert. Und schließlich entfalten sich Werke, die von Geisteskranken realisiert wurden und (vielleicht) dazu beitrugen sie zu besänftigen, wie die wahnsinnigen Waffen von August Natterer – der dachte er sei ein Nachfahre von Napoléon und diese Dispositive erfand, um Frankreich dabei zu helfen den Ersten Weltkrieg zu gewinnen – oder die irren und genialen Banknoten von Else Blankenhorn. Der Erste faszinierte die Surrealisten (und insbesondere Salvador Dalí), während die Zweite die Expressionisten beeinflusste.
Im Museum LA8 (Baden-Baden) bis 12. Januar 2025