Khalik Allah stellt in La Chambre in Straßburg aus
Khalik Allah, Mitglied der Agentur Magnum, kreuzt mit seinen Portrait-Serien auf, die so nah wie möglich an den Unsichtbaren der Straßen von Harlem sind.
Der Soundtrack scheint direkt vom Ende der 1990er Jahre zu stammen, als der Hip-Hop die Welt mit harten Bässen und düsteren, engagierten Lyrics eroberte. Nas, Wu Tang, Mobb Deep… Khalik Allah schöpft aus ihrer Energie jene für seine Street Photography: Keine Mode, sondern eine Gattung für sich, in Kontakt mit der Menge und in einer gewissen Gewalt der Aufnahmen im Vorbeigehen, um das Vergängliche festzuhalten. Der New Yorker praktiziert sie auf lange Sicht. Zehn Jahre lang durchstreift er die Gegend um die Lexington Avenue und die 125th Street, Durchgangszone für die Ausgeschlossenen des Big Apple. Die Galerie La Chambre stellt eine Auswahl aus. Souls Against the Concrete ist bevölkert von gepeinigten Seelen, die er unsterblich macht, indem er sie, einzig mit dem Licht der grellen Neonröhren der nächtlichen Lebensmittelgeschäfte, fotografiert.
Besoffene Nachtschwärmer, ruinierte Obdachlose, tätowierte Mädchen mit stolzem Blick, die Gesichter vom Stoff verbeult, mit unwahrscheinlichem Look, der Secondhandware und Lagen brillanter Assoziierungen mischt. Die Schärfe des Blicks ist ebenso stark wie die Zärtlichkeit des Künstlers für seine Modelle, denen er regelmäßig begegnet, er grüßt sie mit Handschlag, duzt sie und bringt sie dazu, ihre innere Pein zu offenbaren, um sich ihrer besser zu entledigen, wenn sie in die Chemie seines Apparates gelangt ist. Die Bildkörnung ist nicht brutal mit den Aufnahmen, eher voll von einem Krach der umgebenden Lichter (Scheinwerfer der Taxis, Straßenlaternen…), bildet ein Leuchten, das sich im Hintergrund spiegelt, wie Gestirne, die dem Lauf der Sternschnuppen folgen bis sie auf dem Asphalt landen. Rote Augen von einer Mischung aus akutem Schlafmangel, Alkohol-Dämpfen, die die Lider aufquellen lassen und mehr oder weniger harten Drogen. Künstliche Paradiese als Unglücksbegleiter. Die Blicke sind durchdringend und benebelt, direkt in die Kamera, Fässer ohne Boden, hinab zu den Abgründen, die jenen heimsuchen, der sie betrachtet. Die Haut nimmt den bläulichen und glänzenden Aspekt der Stunde an, in der die obdachlose Fauna herumirrt, was den Posen eine zusätzliche Sonderbarkeit verleiht. Manchmal fließen Tränen, Echos auf diese Menschlichkeit, die uns von Innen zerschneidet, während wir jene betrachten „die die Gesellschaft lieber nicht anschaut“. Seine Aufnahmen erzählen unaussprechliche Geschichten, jene von unsichtbaren Menschen, wie beim Romanautor Ralph Ellison. Auf seiner Europa-Tournee (Berlin, Straßburg, Marseille, Genf und Lausanne) präsentiert Khalik Allah auch seine Dokumentarfilme: Field Niggas, Seitenhieb auf Malcolm X, der über die „field negroes“ sprach, die ärmsten Sklaven. In einer Gesellschaft, die ihr Schicksal verachtet, werden ihre aktuellen Nachfahren in Slow-Motion gefilmt und bilden ein gemeinsames Portrait mit vielerlei Gesichtern. Schmerzhaft schön. Episch und faszinierend. Verpassen Sie auf keinen Fall IWOW: I Walk On Water, Film-Zyklus von 3 Stunden und 20 Minuten in Form einer Überlegung zu seiner Praxis, politischer (Sexualität, Religion, Soziologie) und künstlerischer Gedanken, die Analog-und Digitaltechnik, direkte Sprache und asynchrone Mischungen verbinden.
In La Chambre (Straßburg) vom 6. April bis 26. Mai
> Retrospektive von Dokumentarfilmen von Khalik Allah mit dem Internationalen Dokumentarfilmfestival KODEX in Berlin, im Cosmos (Straßburg) vom 10. bis 17. April