Musée alsacien: Charles Fréger stellt Souvenir d’Alsace aus

Portrait de Charles Fréger © Benoît Linder pour Poly

Mit Erinnerung an das Elsass hinterfragt der Photograph Charles Fréger die Identität einer Region in einem vielförmigen Rundgang.

Nachdem er zu den Bretoninnen (2011-14) gearbeitet hat und eine Baskische Reihe (2015-17) produzierte, war Charles Fréger von 2018 bis 2022, unter der Leitung des Musée alsacien und von La Chambre, Gastkünstler in Straßburg, wobei er die Vorstellungswelt erkundete, die sich zwischen 1870 und 1918 rund um die „verlorene Provinz“ entwickelte. „Diese Arbeit besteht aus einer „Darstellung der Darstellung“, oder, wenn man lieber will, einer Fragestellung zur Darstellung in Form einer Nachbildung“, fasst der Photograph zusammen. Seine erste ausgestellte Serie, Hochzeit in Seebach, ist eine schöne Illustration seiner Vorgehensweise: Seine Elsässerinnen – dunkle Silhouetten – sind an ihren Kopfbedeckungen erkennbar und tragen manchmal Flaggen, die man als Trikolore errät. „Die Unterschlagung des Lichts ist eine Art und Weise sich gegenüber der historischen Darstellung zu positionieren, so als ob diese schwarzen Bereiche eine Art Vorstellungswelt voller Zweifel und Fragen beinhalten.“ Der Prozess diese Wesen auf ihre Essenz zu reduzieren, Schatten, die allein aufgrund ihrer Attribute identifizierbar sind, tritt in einen Dialog mit jenem, der in Frankreich üblich war, bei dem diese melancholischen Frauen, die zu Archetypen geworden sind – gleichzeitig Opfer und Heldinnen – ihre Region unter dem Stiefel der Preußen über die blaue Linie der Vogesen betrachteten. Als Antwort auf eine Epoche, in der die technische Reproduzierbarkeit der Bilder ihre Massenproduktion erlaubte, hat der Künstler ebenfalls Soldaten auf Lebkuchen gedruckt (mit der Unterstützung des Künstlers unter den Bäckern, Hervé Bohnert), Vasen mit Helmen dekoriert (mit dem CIAV in Meisenthal), und mit dem Musée de l’image in Épinal einen Animationsfilm kreiert.

Musée alsacien
Musée alsacien: Charles Fréger, Les Souvenirs : Germania, 2019

Weitere Schatten bevölkern das Musée alsacien, Landsknechte, Kavalleristen und liebreizende Damen durchstreifen die Haut-Koenigsbourg, die aus einer Zeichnung von Schnug stammen könnte, lächerliche Boches (abwertend für Deutsche), so wie sie von Hansi gezeichnet wurden oder auch eine beeindruckende Parade mit 22 Bildern. Um ein zentrales Bild artikuliert – ein französischer Soldat aus dem Ersten Weltkrieg schenkt einer Elsässerin einen Blumenstrauß vor einem Grenzpfosten, der von der Allegorie des Todes umarmt wird – entfaltet sich auf der einen Seite die deutsche Vision der Geschichte, auf der anderen Seite, dieselbe, aus französischer Perspektive, mit Propaganda-Postkarten als Inspiration. Schlussendlich ist diese breitgefächerte Ausstellung ein wunderbares Mittel sich Gedanken über die (Instrumentalisierung der) Identität zu machen und jene des Elsasses im Besonderen. Diese drückt sich auf schöne Weise in Das verlorene Paradies aus: Das Spiegelbild einer Provinz wie aus einem Traum, das ikonische Service Obernai aus der Feder von Henri Loux, wird zensiert gezeigt, wie es Zeitungen und Briefe 1914-18 waren, so sind Teller und Untertassen mit einem schwarzen Farbstrich durchgestrichen… Schluss mit der Idealisierung, Platz für Neues.

Musée alsacien
Musée alsacien: Charles Fréger, Der Wilde Mann, 2021

Im Musée alsacien (Straßburg) bis zum 1. April 2024
musees.strasbourg.eu

> La Chambre (Straßburg) stellt parallel dazu Auszüge aus Serien von Charles Fréger aus, die sich auf Silhouetten konzentrieren (18.11.23-14.01.24)

la-chambre.org

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