Odilon Redon: Traum und Realität
In Winterthur entführen die verträumten Werke von Odilon Redon den Besucher zwischen Traum und Realität, von tiefem Schwarz bis zu strahlenden Farben.
Für Odilon Redon (1840-1916) ist Winterthur keine Stadt wie jede andere: Als Heimat von jenen, die sehr früh damit beginnen seine Werke zu sammeln – Hedy und Arthur Hahnloser oder Richard Bühler –, beherbergt die Stadt das Kunst Museum, das die erste Retrospektive präsentierte, die ihm 1919 nach seinem Tod gewidmet wurde. Die Schweizer Institution schöpft aus ihrer Sammlung, die rund hundert Werke umfasst, um einen der außergewöhnlichsten Repräsentanten der entstehenden Moderne zu erkunden: Als Zeitgenosse und Freund der Impressionisten nahm er sogar an der achten und letzten Ausstellung der Gruppe im Jahr 1886 teil.
Trotzdem bleibt der Künstler ein hoffnungsloser Einzelgänger, denkt sich Noirs (Lithographien oder Kohlezeichnungen) aus, die den Symbolismus ankündigen und das Substrat für einen große Teil eines Rundgangs darstellen, in dem sich einige graphische Alben entfalten: Les Origines (1883), bei dem die Einflüsse von Darwin spürbar sind, Hommage à Goya (1885) oder auch La Tentation de Saint-Antoine (1888). Für ihn ist das Schwarz, das seine Werke umgibt „der Agent des Geistes, sehr viel mehr als die schöne Farbe der Palette oder des Prismas“. Rätselhafte Chimären, lächelnder und gleichzeitig grässlicher Zyklop, hämischer Satyr, ein brennendes Auge, das sich aus dem Himmel löst und andere primitive Organismen komponieren die inneren Landschaften, die aus einem Erzählband von Edgar Allan Poe oder einem Gedicht seines Übersetzers Charles Baudelaire stammen könnten, dem Autor eines Satzes, der gut zur Kunst von Odilon Redon passt: „Die Eigenartigkeit ist die nötige Zutat jeder Schönheit.“
In den 1890er Jahren werden die Schwarztöne langsam schwächer: „Ich habe mir die Farbe angeeignet“, schreibt ein nun etablierter Künstler, dessen Galeristen Paul Durand-Ruel oder Ambroise Vollard heißen. Aber das heißt nicht, dass die Eigenartigkeit von einer Palette verschwindet, auf der der Traum ohne Unterlass einen Dialog mit der Realität eingeht, wie in den Effloreszenzen von Quadrige oder Le Char d’Apollon (um 1910) oder im Herzen der roten Konstellationen seiner Papillons (um 1912). Wir haben eine besondere Vorliebe für Alsace oder Moine lisant (um 1914): Der Maler spiegelt mit großer Behutsamkeit das innere Abenteuer dieses Mannes wider, dessen zarte Spiritualität das gesamte Gemälde erstrahlen lässt. Keiner hat sein Werk besser zusammenfasst als Pierre Bonnard, der sagte: „Das, was mich an seinem Werk am meisten berührt, ist die Verbindung zweier fast gegensätzlicher Qualitäten: Die sehr reine plastische Materie und der sehr mysteriöse Ausdruck.“
Im Kunst Museum / Reinhart am Stadtgarten (Winterthur) bis zum 30. Juli