Leyla-Claire Rabih adaptiert Wie später ihre Kinder

Leurs enfants après eux © Honkphoto

Das Saarländische Staatstheater lädt Leyla-Claire Rabih ein, in französischer und deutscher Sprache Wie später ihre Kinder (Leurs enfants après eux) des Goncourt-Preisträgers Nicolas Mathieu zu adaptieren. Interview.

Wie bringen Sie den Roman auf die Bühne?
Der Prozess ist komplex, denn ich mische französische Schauspieler und andere aus dem festen Ensemble des Saarländischen Staatstheaters. Wir haben sehr unterschiedliche Arten Theater zu machen. In Frankreich sehr textzentriert, da wo die Deutschen in der Handlung sind. Um den Roman auf die Bühne zu bringen, habe ich mich dazu entschieden Momente der individuellen Erzählung und andere, kollektive zu bewahren, denn ich mag es zu sehen, wie eine Gruppe von Schauspielern zum Kollektiv wird. Und dann war ich sehr von der Art und Weise berührt, wie Nicolas Mathieu die Gesellschaft der 1990er Jahre erzählt: Diese Frage des Endes der Hochöfen und der Hüttenindustrie in Lothringen klingt wie ein Spiegelbild der anderen Seite der Grenze. Die Schauspieler stellen eine Parallele zum wirtschaftlichen Abstieg des Ruhrgebiets, den verlassenen Siedlungen, der 2. und 3. Generation der immigrierten Arbeiter her… Ich bin mit einer aufgeteilten, aber nicht verteilten Version des Textes angekommen, um die Auswahl mit ihnen zu treffen.

Diese deutsch-französische Besetzung ist nicht völlig zweisprachig. Ein Wagnis?
Ein bisschen, aber das erlaubt es auch deutsche Akzente in Teilen zu haben, die auf Französisch gespielt werden, was denselben Abstand, die selbe Fremdartigkeit bringt, wie das Arabisch der Eltern im Roman. Mein Traum war es ein vollständig zweisprachiges Stück zu machen, aber die Schauspieler sind es nicht, also wird alles übertitelt, damit der Übergang von einer Sprache zur anderen kein Problem darstellt. Aber unsere gemeinsame Theater-Sprache innerhalb der Truppe zu finden, bleibt eine Herausforderung.

Leyla-Claire Rabih : Wie Später ihre Kinder
Leyla-Claire Rabih : Wie Später ihre Kinder : Christiane Motter (Hélène Casati) | Foto: Martin Kaufhold

Sie haben eine Inszenierung aus Tüchern und Videos erarbeitet…
Das Video trägt Landschaften, die die Streckung der Zeit verdeutlichen, die Lichter der vier aufeinanderfolgenden Sommer, das im Text sehr präsente Wasser. Neben dem was gesagt wird, gibt es eine Arbeit mit der Atmosphäre, innere Landschaften entfalten sich auf aufgehängtem Papier, das unterschiedliche Untergründe und Beziehungen zum Bild kreiert.

Diese soziale Saga ist von einer großen Melancholie geprägt, das, was der Autor als das Todesversprechen bezeichnet, „das, was nie wieder sein wird“…
Er ändert ohne Unterlass seinen Fokus, geht vom Intimen zur makro-soziologischen Analyse über, während er diese Epoche des Verfalls beschreibt. Und noch dazu erzeugt er eine unvergleichliche Spannung, die das unmittelbare Bevorstehen einer Tragödie spüren lässt, die nie eintritt. Der Soundtrack des Romans taucht uns in Nirvana, mit der Idee, dass die Jugend dieser Epoche die Hoffnungslosigkeit in Dezibel umwandeln würde, um die Welt neu zu erfinden… Seither wissen wir, dass dies nicht geklappt hat.

Unterstreichen Sie den Hang zum Roman noir mit seinen besonderen Codes?
Ich behalte seinen Geist mit der omnipräsenten Spannung. Es gibt eine Geschichte um einen Drogendeal, der eher zu einer sozialen Revanche wird als zu einem Abtauchen in die Mafia. Ich mag die Entwicklung der Figur Hacine sehr, der Kleinganove, der zum Großdealer wird, bevor er sich daran die Zähne ausbeißt und von der Arbeitnehmerschaft bezwungen wird. Man findet seinen Antagonisten Anthony und dieses Mädchen, mit dem er gerne abhauen würde, das ihm aber entweicht. Es ist ein Stück über das Scheitern einer Jugend und ihrer Eltern mit vom Kapitalismus und der Arbeitslosigkeit zerstörten Körpern.

Leyla-Claire Rabih : Leurs enfants après eux | Photo: Martin Kaufhold
Leyla-Claire Rabih : Wie später ihre Kinder | Foto: Martin Kaufhold

In der Alten Feuerwache (Saarbrücken) am 30. und 31. März, dann am 02., 08., 21. & 28. April, am 17. Mai und 23. Juni (mit deutschen und französischen Übertiteln)
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