Olivier Crouzel stellt Horizont aus

Olivier Crouzel : 18 rideaux (2014-2019)

Mit seinen bezaubernden Videoinstallationen verwandelt Olivier Crouzel Orte in Landschaften und lädt mit Nachdruck unsere Blicke dazu ein, sich erneut auf einen (un)möglichen Horizont zu richten.

Olivier Crouzel ist Plastiker und Topograph, ein Forschungsreisender in ordinären Räumen. Anhand seiner geschickt ausgearbeiteten Installationen sucht der Videokünstler beharrlich diesen zeitgenössischen Horizont ab, eine Mischung aus Hoffnungen und Enttäuschungen, von denen der Titel dieser Einzelausstellung erzählt, die ihm die Fondation François Schneider widmet. Auf der einen (Tarifa) und der anderen (Ceuta) Seite der Meerenge von Gibraltar postiert, filmt er die majestätische und stolze Überquerung eines Zugvogels (Storch oder Graureiher), jene, unter strenger Bewachung, von Flüchtlingen, die drei Einsatzwagen der spanischen Polizei mit einer Fähre zurück nach Afrika bringen, und schließlich jene eines schiffbrüchigen Koffers im Mittelmeer, der am marokkanischen Strand von Fnideq an Land geht. In der Dunkelheit der Säle des Untergeschosses der Institution in Wattwiller bilden die drei Reisen, die parallel auf an Barrières (Barrieren, 2018) fixierte Leinwände projiziert werden, die Bildtafeln eines Retabels der Passion Christi, in ihrer tragischen zeitgenössischen Version. Nur wenige Schritte entfernt, antwortet wie ein Echo Même mer, mêmes hommes (Selbes Meer, selbe Männer, 2016), in dem das Bild des nicht stabilen Rettungsbootes nachts auf die Wellen eines verlassenen Strandes – der tagsüber bei Touristen sehr beliebt ist – in Lesbos projiziert wird und das im Rhythmus von Ebbe und Flut zu atmen scheint.

Olivier Crouzel : Barrières (2018)
Olivier Crouzel : Barrières (2018)

Von Gemeinplätzen und merkwürdigen Orten fasziniert, beherrscht Olivier Crouzel die Kunst sie zu offenbaren, anhand von filmischen Dispositiven, dem ungreifbaren genius loci, der die Erinnerung an verschwundene Gesten reaktiviert, die das Gemurmel der vergessenen Stimmen hörbar machen, Spuren von Körpern aufzeigen, die diesen verlassenen Ort bewohnt oder durchquert haben, den Träumen und Sehnsüchten, die sie mit sich führten… Seit 2014 kommt der Künstler regelmäßig zu einem dieser Orte zurück, die ihn nicht mehr loslassen und hypnotisieren: “Le Signal”, eine symbolträchtige Betonbarriere der großen Balearen-Strände aus den Siebzigern, die in Soulac-sur-Mer, im französischen Departement Gironde aufgebaut ist. Ein verfallenes Gebäude mit seinen sechsundsechzig Appartements mit Meerblick, das einsturzgefährdet ist, angesichts der Erosion, die die Düne angreift, auf der es steht*. Der Künstler hat aus ihm sein Freilichtatelier gemacht, den Hintergrund mehrerer seiner Werke, darunter das betörende und immersive 18 rideaux (18 Vorhänge, 2014-2019), mit seinen Aufnahmen, die er aus achtzehn Fenstern des Gebäudes machte. Das neuere Horizonto (2018) nimmt den Betrachter mit ans Bord eines Road-Movies voller Hindernisse, den er hinter der Windschutzscheibe eines Wohnmobils erlebt, das im Eiltempo an der Atlantikküste entlangfährt, von Bordeaux bis Biarritz. Ruckeln und Lachen garantiert!


In der Fondation François Schneider (Wattwiller) bis 26. März
fondationfrancoisschneider.org

> Parallel dazu wird die Ausstellung Réceptacle präsentiert, die die Werke von 4 Künstlern und Kollektiven vereint, die Preisträger des 10. Wettbewerbs Talents contemporains sind, der jedes Jahr von der Fondation zum Thema Wasser organisiert wird (bis 26. März).

*Die Abrissarbeiten des Signal sollen just an diesem Montag den 6. Februar beginnen.

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