Fabienne Verdier im Saarlandmuseum und im Musée Unterlinden

Fabienne Verdier: Die Haube der Margareta oder das labyrinthische Denken, Zeichenstudie Nr. 9, nach Jan van Eyck „Portrait der Margareta van Eyck (1439), 2011 © VG Bild-Kunst, Bonn 2022. Foto: Inès Dieleman

In Saarbrücken taucht Fabienne Verdier in das Auge des Kosmos ein, dank einer Präsentation rund um Zeichnungen, die eine starke Energie zum Vibrieren bringt.

Während Fabienne Verdier Den Gesang der Sterne im Musée Unterlinden in einem Dialog mit dem Isenheimer Alter erklingen lässt, taucht sie in Saarbrücken ins Auge des Kosmos ein. Eine begeisternde Ausstellung – welche Resonanz in jener in Colmar findet – die mit ihren Zeichnungen beginnt, bescheidenen Formaten einer Künstlerin, die eher für ihre riesigen Kompositionen bekannt ist, für die sie besondere Pinsel benötigt „die fünfundzwanzig Pferdeschwänze über die Leinwand galoppieren lassen“, amüsiert sie sich. Und führt fort: „Die Energien, die mit einem Pinsel, einem Bleistift, einem Filzstift übertragen werden… sind ähnlicher Natur, auch wenn die Zeichnung der erste und essentielle Gedanke ist, die Genese und das, was am schwierigsten ist: Ich versuche mit wenigen Linien eine verkörperten Abstraktion zu erreichen, eine Aufzeichnung der Komplexität der Realität.“ In diesen Werken, in denen die Energie sich auf extreme Weise zu konzentrieren scheint, fängt sie das Vergänglichste des Lebens ein, das Flatterhafte in einer verblüffenden Allianz zwischen westlicher Abstraktion und Tradition der chinesischen Malerei und Kalligraphie, was an ihre Studienjahre im Reich der Mitte erinnert, wo sie als erste ausländische Studentin im Jahr 1983 ein Stipendium erhielt. Mit der Natur als Leitfaden führt der Rundgang den Besucher in einen riesigen Saal – in dem auch Auszüge aus ihren Skizzenbüchern gezeigt werden, echte Register der Formen, die die Matrix ihres Werkes bilden – wo er auf En attendant le printemps, branche 21 (2019) und Dessin de grand bourgeon n°3 (2009) trifft. Es gelingt der Künstlerin die Poesie der Welt in wenigen Zeichenstrichen zu suggerieren. Man bleibt verblüfft von ihren Studien Autour de la Montagne Sainte-Victoire (2018): „Eine Felswand zu zeichnen, bedeutet sich die terrestrischen Kräfte vorzustellen, die sie haben entstehen lassen, aber auch jene, die ihre Oberfläche geformt haben, den Wind und den Regen. Der Stein behält dies in Erinnerung und ihn zu zeichnen, belebt diese grundlegenden Kräfte wieder.“

 

Ich versuche den Geist des Lebenden dank dieser Energiegrundlage einzufangen, die der Pinselstrich darstellt, aber leider wird es trocken und unbeweglich. Die Musik hat mir geholfen zu versuchen darüber hinauszugehen“, erklärt Fabienne Verdier. Dank Kameras, die unter dem Arbeitstisch platziert den malerischen Gestus filmen, sieht man wie sie versucht die Struktur der entstehenden Musik einzufangen, so dass sich die Linie aus Pigmenten an jene des Klanges schmiegt. An der Wand entfalten sich die Notenschriften, die aus Stücken von John Coltrane, Elliott Carter… entstanden. Der Rundgang endet mit riesigen Gemälden aus der Serie Walking / Painting, in der die Künstlerin ihren Körper zum Werkzeug macht und Motive mithilfe der Schwerkraft der Farbe kreiert, welche aus einem Sack fließt, während sie den Raum durchschreitet und dabei höchst intensive Energiefelder kreiert.


In der Modernen Galerie des Saarlandmuseums (Saarbrücken) bis zum 26. Februar 2023
modernegalerie.org

Im Museum Unterlinden (Colmar) vom 1. Oktober bis 27. März 2023
> Wir werden über diese Ausstellung detaillierter in unserer Dezemberausgabe berichten.
musee-unterlinden.com

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