Gabriele Münter, die blaue Reiterin

Gabriele Münter, Dorfstrasse im Winter, 1911, Öl auf Pappe auf Holz, 53 x 70 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957 © 2021, ProLitteris, Zürich

Das Schmuckkästchen Zentrum Paul Klee in Bern feiert endlich Gabriele Münter, Pionierin der Moderne. Die erste Retrospektive, die dieser großen Künstlerin gewidmet ist, ist ein Symbol für sich.

Sechzig Jahre. Diese Zeit brauchte es, bis endlich das Werk und die maßgebliche Rolle von Gabriele Münter (1877- 1962) für die deutsche Avantgarde anerkannt wurden. Die Zeit nach ihrem Tod war so lange, wie jene, die sie mit Malen und Zeichnen verbrachte. Lange auf die Rolle der Geliebten von Kandinsky beschränkt, dessen Malkurse sie besuchte, bevor der Erste Weltkrieg sie definitiv voneinander entfernte, symbolisiert sie die systematische Ausblendung der Frau in den westlichen Gesellschaften. Vom Fauvismus geprägt, stellt sie dennoch schon bevor sie 30 Jahre alt wird im berühmten Salon des artistes indépendants (1907) aus, reist in die Vereinigten Staaten, nach Tunesien und Europa, ihre Photographien dokumentieren Landschaften und Personen, denen sie mit Neugierde und Geschmack gegenübertritt. Auch wenn ihre Malerei immer figurativ sein wird, steht sie noch einem zu Ende gehenden Impressionismus nahe. Aber Gabriele begeistert sich für die Techniken der Volkskunst, entleiht jene des Malmessers von Gauguin, kopiert Kinderzeichnungen und ersteht sakrale Objekte (eine Mischung daraus findet man in Stillleben Pfingsten, 1934) aber auch Hinterglasmalerei.


In dieser Fülle gründet sie mit Kandinsky, Franz Marc und Alfred Kubin eine der markantesten innovativen Gruppen des beginnenden 20.Jahrhunderts, Der blaue Reiter. August Macke und Paul Klee treffen bald hinzu, selbst wenn Ersterer im September 1914 auf einem Schlachtfeld in der Champagne im Alter von 27 Jahren getötet werden wird. Gabriele Münter ist damals eine der Hauptfiguren dieses glühenden deutschen Expressionismus, mit strahlenden Gemälden, deren Oberflächen mit lebendigen Farben von schwarzen Strichen umgeben sind, die sowohl ihre äußerlichen Eindrücke, als auch ihre innerlichen Erfahrungen und Gefühle verstärken. Sie stellt das von der Welt dar, was sie im wahrsten Sinne des Wortes ergreift. So ist es mit ihrer Vision der Dorfstrasse im Winter (1911) in der ein trübseliger blassblauer Himmel die strahlenden Töne der Dächer, Fassaden und Fenster, die in den Boden zu fließen scheinen, widerspiegelt. Ihre Bildsprache entwickelt sich, zieht die Oberfläche einer fast naiven Benutzung der Perspektive vor. Sie vernachlässigt oft jeglichen Schatten und wenn das nicht der Fall ist wie in Zuhörerinnen (1925-1930), komponiert sie eine beunruhigende symbolische Vision, in der die Aneinanderreihung der Beine junger Frauen mit den schwarzen Flächen in Kontrast steht, die von einer Votiv-Puppe, welche hinter ihnen an der Wand hängt, auszugehen scheint. Ihre Kühnheit machte sie zu einer der vom Nazi-Regime Ausgestoßenen. Sie wird die Werke der Mitglieder des Blauen Reiters bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in ihrem Keller verstecken – und retten ! Wir sagen doch, sie ist essenziell…


Im Zentrum Paul Klee (Bern) bis zum 8. Mai
zpk.org

Trailer de l’exposition
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